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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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Das wochenlange Reisen, die Anspannung dieser Jagd, immer wieder anderes Essen, anderes Wasser. Du mußt dich ausruhen. Doch ich zitterte nach wie vor, war von einer wilden Energie erfüllt, die unter meiner Haut tobte, sie jucken und zucken ließ. Und dann war da wieder dieser Geruch, diesmal nicht nur nach Mogra, sondern noch nach etwas anderem, etwas Schwelendem, einer Masse verkohlenden Fleisches. Irgendein Idiot hatte wohl am Strand eine tote Ratte oder so was in ein Lagerfeuer geworfen. Ich würde die Jungs losschicken, die würden sich diesen Maderchod schon vorknöpfen. Ich wankte ans Fenster. Nein, kein Feuer weit und breit, nur die Wellen, die gleichmäßig auf den Sand trommelten. Aber diese Fenster. Die Wand zum Meer hin war komplett verglast, vom Boden bis zur Decke. Und an der gegenüberliegenden Wand gingen weitere Fenster auf ein Gebäude auf der anderen Straßenseite hinaus. Das sollte ein sicheres Haus sein? Von dem Dach gegenüber konnten mich Suleiman Isa und seine gesamte Company beobachten. Und die Polizei konnte ein ganzes Bataillon von Heckenschützen auf dem Strand postieren, die mich einen Kopf kürzer machen würden. Ich rief meine Jungs im unteren Stockwerk an. Ihr Mistkerle, kommt hoch und verschließt diese Fenster.
    Ich ließ sie die Fenster verriegeln und die Vorhänge zuziehen - der Geruch nach Blumen und brennendem Fleisch blieb. Ich rief abermals nach den Jungs, ließ sie Isolierband mitbringen und die Fensterritzen abkleben. Sie waren verblüfft, und einige von ihnen konnten trotz des jahrelang vor mir empfundenen Respekts und trotz der Angst, die sie vor mir hatten, ihre Skepsis und Belustigung nicht verbergen. Dessen ungeachtet, befahl ich ihnen, am Strand nach Lagerfeuern Ausschau zu halten und auch auf den Grundstücken der Gebäude ringsum nachzusehen. »Wenn ihr ein Feuer findet«, sagte ich, »tretet es aus.« Sie nickten: »Ja, Bhai, ja, Bhai«, und dann schlurften sie hinaus. Ich machte die Tür zu und klebte jeden Spalt und selbst das Schlüsselloch mit dem breiten schwarzen Band ab. Dann zog ich einen Sessel genau in die Mitte des Zimmers und setzte mich, die Hände an den Knöcheln. Keine Frage, der Geruch war immer noch da. Warte noch etwas, sagte ich mir, die Kontamination dieses Raums wird nachlassen, und dann bist du von dem Geruch erlöst. Die Minuten schleppten sich zäh dahin, und ich atmete langsam ein und aus. Ich schloß die Augen, konzentrierte mich auf mein Pranayama. Ich wollte Ruhe, nichts als ein wenig Frieden. Doch Licht drängte gegen meine Augenlider, ein aufgellendes Karottenorange vor einem helleren safrangelben Hintergrund. Es war dunkel im Zimmer, die Vorhänge waren dick und golden, eine Art Brokat. Wo kam dieses Licht her? Mir wurde plötzlich bewußt, wie fragil dieses Gebäude war, wie zerbrechlich das Fensterglas. Ich hätte mich genausogut im Schneidersitz auf meinen eigenen Scheiterhaufen setzen und darauf warten können, daß mich meine Feinde oder irgendeine Katastrophe, die sich vom Horizont heranwälzen mochte, in den Tod beförderten. Ich mußte mich schützen.
    Bunty hatte sein Handy ausgeschaltet. Ich rief ihn in den folgenden zwei Stunden bestimmt dreißigmal an, immer wieder säuselte mir nur diese bhenchod Stimme mit dem ausländischen Akzent ins Ohr. Irgendwann rief er schließlich voller Panik zurück. »Sorry, Bhai, sorry. Ich hatte es bloß auf Vibrieren gestellt, und es lag unter ein paar Klamotten. Sorry, tut mir wirklich leid.«
    Die Beine dieses Mistkerls versahen ihren Dienst nicht mehr, ein anderes Teil schien jedoch noch einigermaßen funktionstüchtig zu sein. Wie sich herausstellte, war er mit einer Sechzehnjährigen zusammen gewesen und hatte sich so konzentrieren müssen, daß er darüber seine Arbeit und seine Verpflichtungen völlig vergessen hatte. Ich hielt ihm einen langen Vortrag, was für ein gedankenloser Chutiya er doch geworden sei, und sagte ihm, was ich von ihm wollte. Woraufhin er noch kriecherischer und unterwürfiger wurde. Er gestand, daß er die Schlüssel zu meinem Bunker, den ich für Jojo in Kailashpada hatte bauen lassen, nicht mehr hatte. Er erzählte mir eine lange Geschichte, der zufolge die Bauarbeiter die Schlüssel benötigt hätten, um die elektrischen Leitungen fertig zu verlegen, und sie dann an einen gewissen Soundso weitergegeben hätten und dies und das und jenes. Ich schnitt ihm das Wort ab und sagte, ich wolle am nächsten Morgen um neun in meinem Bunker sein, und wenn das nicht

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