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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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überleben, wenn der Krieg losbrach. Aber wenn Jojo zu diesem Zeitpunkt da draußen war, würde ich sie verlieren. Ich war in meiner Jugend auf mich selbst gestellt gewesen, bitterarm, unwissend und allein, doch diese Einsamkeit hatte leicht auf meinen Schultern geruht, wie der fesche, flatternde Umhang eines schneidigen Helden. Das Drehbuch meines Lebens hatte mich in einer bogenförmig ansteigenden Bewegung stetig nach oben geführt, und ich hatte Geliebte, Yaars und Feinde gleichermaßen ohne Bedauern hinter mir gelassen. Es war notwendig gewesen. Es war ein integraler Bestandteil meines Charakters, ohne den ich niemals Ganesh Gaitonde hätte werden können. Aber jetzt war Jojo in mir, und ohne sie würde ich zerbrechen. »Ich mache mir nur Sorgen um dich, Jojo«, sagte ich ihr. »Obwohl du so eine Kutiya bist. Ich weiß wirklich nicht, warum.«
    »Du bist senil geworden«, sagte sie. »Wenn du nicht weißt, warum du dir Sorgen machst, wieso machst du dir dann Sorgen?«
    »Nein, nein. Ich weiß schon, warum ich mir Sorgen mache. Ich weiß nur nicht, warum ich mir gerade um dich Sorgen mache. Wo du doch so ein ungehobeltes, schamloses, übellauniges Biest bist.«
    Sie brach in ihr schallendes Gelächter aus. »Are, Gaitonde, nach all den Jahren weißt du das immer noch nicht? Wirklich nicht? Okay, okay, schon gut. Lassen wir das. Aber sag mir, was für eine Sorge das ist.«
    »Du solltest an einem sichereren Ort leben.«
    Woraufhin sie, wie immer, vollkommen irrational wurde. Sie beschimpfte mich lautstark und sagte, ich solle mal meinen Kopf untersuchen lasen oder meine Golis oder beides. Ihr Leben sei prima, die Geschäfte liefen gut, und sie fürchte sich vor gar nichts. Ich solle endlich von diesem verdammten Gleis runterkommen, sonst schiebe sie es mir höchstpersönlich in den Gaand.
    Ich dagegen blieb völlig rational. Ich wies sie auf die steigende Kriminalitätsrate in der Stadt hin, auf die beunruhigende Anzahl von Raubüberfällen und die Vergewaltigungen, ebenso aber auf das aggressive Auftreten von Regierungen und militanten Gruppen, das Bombenexplosionen in Restaurants nach sich zog, und auf deren mögliche Auswirkungen hinsichtlich der Lage an der Grenze. Daraufhin flüsterte sie zornig: »Ich wünschte, die würden eine ihrer Bomben in deinem Hirn explodiere lassen«, und legte auf.
    Seit ich im Bunker wohnte, schienen unsere Unterhaltungen häufiger denn je auf diese Weise zu enden. Wir diskutierten über die Mädchen, die Jojo vertrat, über die Fernsehshows, die sie produzierte, oder über die Entwicklung des Geschäftsklimas, doch irgendwann brachte ich das Gespräch jedesmal auf das Wesen dieser Welt, in der wir lebten, und auf die tödlichen Gefahren, denen wir bald ausgesetzt sein würden. Dann stöhnte oder fluchte oder brüllte sie und legte auf. Und ich machte mir wieder Sorgen.
    Ich begann über Alternativen für Jojo nachzudenken. Ich konnte ihr einen Bunker schenken, der aussah wie ein Haus, und sie so in die Sicherheit locken. Doch wie sollte ich sicherstellen, daß sie die Türen immer schloß, und wie sie davon abhalten, nach den Fenstern zu fragen? Nein, nein. Ich zappte etwas herum und sah eine Reklame für einen Urlaub in einem exotischen Land. Ein glückliches Paar spazierte einen Strand entlang. Ich konnte sie in die Ferne schicken, ihr ein First-Class-Flugticket zu irgendeiner Südsee-Insel schenken. Ja, genau. Zu irgendeinem Ferienort mit Scharen von muskelbepackten Beachboys und jeder Menge Luxusboutiquen. Ich konnte sie vor mir sehen, wie sie gerade ein Paar Stöckelschuhe kaufte. Sie trug einen kurzen roten Rock, und ihre Beine waren jung und muskulös. Hinter ihr standen zahlreiche Einkaufstüten, und sie war glücklich. Neben ihr lag eine kleine schwarze Handtasche aus sehr weichem Leder. Und in dieser Handtasche steckten zwei Handys, eins für ihr normales Leben und ein rotes mit Verschlüsselungstechnik: ihre Verbindung mit mir. Sie war zufrieden und in Sicherheit, und das war eine beglückende Vorstellung für mich. Selbst wenn etwas passierte, selbst wenn sich das Feuer hinter dem Horizont erhob, würde ihr nichts geschehen.
    Allerdings ... wenn etwas passierte, eben das passierte, dann würden die Handys nicht mehr funktionieren. Es würde keine Flüge, vielleicht nicht mal mehr Flugzeuge geben. Die Systeme, die Flugzeuge und Handys unterstützten, würden zusammenbrechen. Ich kannte mich inzwischen aus, wußte aus all den Filmen und Fernsehsendungen, die ich gesehen

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