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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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ausgerastet, als er in der Zeitung las, daß ein Professor ein Buch veröffentlicht hatte, in dem er nachwies, daß vedische Inder 657 Rindfleisch gegessen hatten. »Das ist eine Verschwörung«, hatte er gemurmelt und war puterrot angelaufen, »ein ganz übles Komplott.« Wessen Komplott, sagte er nicht, und Aadil fragte auch nicht. Es verstand sich von selbst.
    Dennoch war Jaggu ein anhänglicher und treuer Freund. Er scheute keine Mühen, um Aadil und anderen Wohnheimgefährten zu helfen, er organisierte Ausflüge, und wenn jemand krank war, holte er mit seinem Motorrad Medikamente. Er studierte zwar nicht das gleiche wie Aadil, aber er sammelte allen möglichen Klatsch über Aadils Professoren und machte ihn mit den Feinheiten akademischer Politik vertraut. Er war eine stete Stütze, und Aadil war froh, ihn zum Vertrauten zu haben. Doch nicht einmal mit ihm konnte er darüber reden, wie schwer ihm das Studium fiel und daß es immer schwieriger wurde. Es war nicht nur das Lernen und Forschen, das ihn Zeit, Mühe und Energie kostete. Damit kam er zurecht, auch wenn er jetzt mit wirklich begabten Kommilitonen konkurrieren mußte und nicht mehr mit einer Bande von Rabauken wie in Rajpur. Der chronische Geldmangel zermürbte ihn. Wie konnte man sich auf das Lernen konzentrieren, wenn man vor Hunger Bauchkrämpfe bekam? Die Wochen vergingen, und Aadils kleine Reserve auf der Bank schmolz dahin. Immer wieder fielen unerwartete Ausgaben an, für irgendwelche Gebühren, Geldsammlungen im Wohnheim oder Antibiotika gegen ein plötzliches Fieber. Bücher mußten beschafft werden, die nicht im Lehrplan standen, von den Professoren aber ganz nebenbei als unerläßlich für die Examensvorbereitung erwähnt wurden. Und es gab neue Bedürfnisse, nach einem Theaterbesuch, einem Abendessen im Restaurant, vielleicht einer Coca-Cola. Die Rupien schwanden rapide dahin, und Aadil versuchte verzweifelt, seine Ausgaben zu reduzieren. Aber da war nichts Überflüssiges zu kürzen, und er hatte das Gefühl, sich mit seiner Disziplin ins eigene Fleisch zu schneiden. Er litt, und er verbarg sein Leiden.
    »Was ist denn mit deinen Haaren, Beta?« fragte ihn Jaggu eines Abends und zog Aadil an der Schulter zu sich herab, um seinen Kopf zu inspizieren. Sie saßen vor dem Wohnheim auf der Mauer und warteten auf die anderen, mit denen sie ins Ashok-Kino wollten.
    »Mit meinen Haaren? Nichts.« Aadil strich seinen Scheitel glatt und fühlte beruhigt seinen dichten Haarwuchs.
    »Die werden ja völlig weiß, Yaar.«
    »Nein.«
    »Wenn ich's dir doch sage.«
    »Die sind schon ewig so.«
    »Nein, nein. Schneeweiß, ich sag's dir, Komm, schau's dir an.«
    Sie gingen ins Haus und die Treppe hinauf in Jaggus Zimmer, in dem es mehrere Spiegel gab. Jaggu stellte Aadil vor einen hin und hielt einen zweiten hinter seinen Kopf. »Da, schau«, sagte er.
    Aadil schaute, und tatsächlich waren seine Haare am Hinterkopf ganz weiß. Von hinten sah er aus wie ein alter Mann.
    »Ich glaub, die werden von hinten nach vorn immer weißer«, sagte Jaggu. »Aber hör mal, mach dir deswegen keine Sorgen.« Und er begann ihm Haarfärbemittel und die Vorzüge der verschiedenen Marken aufzuzählen und Aadil deren Anwendung zu erklären. Doch Aadil schüttelte den Kopf und wollte nichts davon wissen.
    »Warum denn nicht, Bhai?« fragte Jaggu entsetzt. »Warum nicht, frag ich dich! Das ist doch kinderleicht. Man muß es ja nicht jeden Tag machen. Der Mensch muß doch anständig aussehen, und du willst nicht mal das bißchen dafür tun.«
    Aadil faßte Jaggu lächelnd am Handgelenk, schüttelte den Kopf und führte ihn wieder hinunter zu den anderen. Er konnte ihm unmöglich erklären, daß das Haarefärben, auch nur einmal im Monat, unerschwinglich für ihn war, ein Luxus, den sich andere leisten konnten, er nicht. Jaggu, der sich alle zwei Wochen eine neue Zahnbürste kaufte, weil ihm die alte zu abgenutzt war, konnte nicht wissen, wie es war, wenn man nicht jederzeit ein dickes Bündel Rupienscheine zur Verfügung hatte. Es fehlte ihm weder an Intelligenz noch an Mitgefühl oder Einsicht, aber er war einfach anders, er verstand so etwas nicht. Aadil konnte ihm keinen Vorwurf daraus machen. Und er konnte ihm auch nicht sagen, daß er sich oft wie ein alter Mann fühlte. Vielleicht war er vorzeitig gealtert und verspürte deshalb diese lähmende Mattigkeit. Morgens kam er nur mit Mühe aus dem Bett, und auch während der Vorlesungen und bei der Examensvorbereitung mußte er

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