Der Pate von Bombay
Fernsprecher aus an, Saab. Und ich bin nicht in Mumbai. Ich werde Sie wieder anrufen.«
»In Ordnung.« Bunty mußte wirklich große Angst haben, wenn er selbst bei der Suche nach einem Weg in eine sichere Zuflucht noch so vorsichtig war. »Wann?«
»Am Montag, Saab.«
»Rufen Sie mich am Montagabend an, dann sage ich Ihnen, was Parulkar-saab meint.«
»Gut, Saab. Ich melde mich.«
Bunty hängte ein, und Sartaj setzte Chai auf und sann über die Wechselfälle des Gangsterlebens nach. Der Tod konnte plötzlich kommen, das war nun einmal so, aber es erschütterte Sartaj, daß Bunty versuchte, Parulkar, seinem gefürchtetsten Feind, zu vertrauen. Parulkar war die ganzen Jahre für die Verfolgung von Mitgliedern der G-Company zuständig gewesen. Er hatte sich über seine zahlreichen Gewährsleute Informationen über Gaitondes wichtigste Männer verschafft, und seine Trupps hatten sie gestellt und getötet. Waren die Toten keine bekannten Killer, widmeten ihnen die Zeitungen nicht mehr als ein paar Zeilen unten auf einer der hinteren Seiten. Bunty würde möglicherweise für eine Erwähnung auf der ersten Seite des Lokalteils gut sein. Wenn nicht deshalb, weil er tot war, so vielleicht zumindest wegen seines Spezial-Rollstuhls.
Sartaj trank seinen Tee aus und rief dann die Delhi-vaali an, um ihr von Gaitondes Suchaktion zu berichten.
»Was für ein Sadhu? Ist ein Name gefallen?«
»Nein, Madam. Der Informant wollte vorerst nichts weiter sagen. In ein paar Tagen weiß ich wahrscheinlich mehr.«
»Gut. Sehr seltsam, das Ganze. Wir wissen, daß Gaitonde tief gläubig war und häufig Pujas abgehalten hat, aber von irgendwelchen Sadhus ist uns im Zusammenhang mit ihm nichts bekannt. Und warum hat er diesen Mann gesucht?«
»Ich weiß es nicht, Madam.«
»Hm.«
Sie schwieg. Sartaj wartete. Allmählich gewöhnte er sich an Anjali Mathurs bedächtige Art.
»Ich habe eine Adresse für Sie«, sagte sie. »Haben Sie was zu schreiben.«
»Von der Schwester?«
»Ja. Sie wohnt jetzt in Bandra.«
Bevor er die Schwester aufsuchte, machte Sartaj im Revier halt. Er mußte noch einen Anruf erledigen. Auf Parulkars Zettel mit dem Kontakt zur S-Company stand nur eine Telefonnummer, kein Name. Sartaj mußte einen Moment überlegen, ehe er ihm wieder einfiel. Iffat-bibi. Genau. Iffat-bibi, Suleiman Isas Tante mütterlicherseits und seine Komplizin. Sartaj stellte sich kein Gesicht vor, während er wählte, doch als sie sich meldete, dachte er sofort an die Sängerin Begum Akhtar. Ihre Stimme hatte denselben rauhen und doch weichen Klang, eine altertümliche Melancholie, wie sie abgenutzte Schallplatten ausstrahlen, voller Schmerz und doch scharf wie die Klinge eines gekrümmten Avadhi-Dolchs.
»Sie sind also Parulkars Mann?« sagte sie.
»Ja, Madam.«
»Nennen Sie mich nicht so, seien Sie nicht so förmlich. Sie sind doch Sardar-saabs Sohn.«
»Sie haben ihn gekannt?«
»Allerdings. Ich kannte ihn schon, als er noch ein junger Rekrut war. Er war ein so hübscher Mann, Baap re.«
Papa-ji hatte Sartaj nie von Iffat-bibi erzählt; vielleicht gehörte sie zu der Sorte Frau, die ein Vater vor seinen Kindern nicht erwähnt. »Ja, er hat immer sehr auf sein Außeres geachtet.«
»Und er hat immer so gern das Reshmi kabab aus einem Restaurant namens Ashiana 030 gegessen, das uns gehört hat. Jetzt gibt es das Restaurant nicht mehr.«
Sartaj erinnerte sich an die Kebabs, aber er hatte nicht gewußt, daß Iffat-bibi etwas damit zu tun gehabt hatte. Sie wollte sich offentsichtlich über Sardar-saab unterhalten. Einmal habe er im VT 665 einen streunenden zwölfjährigen Jungen aufgegriffen und ihm von seinem eigenen Geld etwas zu essen und eine Fahrkarte nach Punjab gekauft. »Sardar-saab war ein guter Mensch«, seufzte sie. »Schlicht und geradlinig.«
Sartaj betrachtete seine Hand, den stählernem Kara 314 an seinem Handgelenk und den Abdruck, den er in Jahrzehnten hinterlassen hatte. Er nickte. »Ja.« Und wartete.
»Besuchen Sie uns doch mal. Dann bekommen Sie ein besseres Reshmi Kebab als das im Ashiana.«
»Ja, Iffat-bibi, irgendwann komme ich mal vorbei.«
Damit hatte Iffat-bibi den Geboten der Höflichkeit Genüge getan und kam zur Sache. »Was kann ich für Sie tun?«
»Ich brauche Informationen über Ganesh Gaitonde.«
»Diesen Maderchod?« Es war ein Schock, das Wort aus ihrem Mund zu hören, und Sartaj begriff, daß er es tatsächlich mit der rechten Hand eines Bhai zu tun hatte, nicht nur mit der nachsichtigen
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