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Der Pate von Bombay

Titel: Der Pate von Bombay Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vikram Chandra
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Großmutter, die das Essen auftischt. »Jahrelang hat der uns das Leben schwergemacht. Ein Glück, daß Sie ihn endlich erledigt haben.«
    »Ich nicht, Bibi«, sagte Sartaj. »Aber erzählen Sie mir von ihm. Was war er für ein Mensch?«
    Ein hinterhältiger, feiger Schuft sei er gewesen, sagte sie. Wenn es brenzlig wurde, habe er das Weite gesucht, und seine eigenen Leute habe er verraten. Ein sündhafter Wüstling, der junge Mädchen mißbraucht und zugrunde gerichtet habe.
    »Aber er hat doch ein großes Unternehmen geführt, Bibi.«
    Sie räumte ein, daß er ein guter Manager gewesen sei und einiges Geld gemacht habe. Nein, sie wisse nicht, warum er in die Stadt zurückgekommen sei. Ihren Informationen zufolge habe er sich nach Thailand oder Indonesien abgesetzt, der Hurensohn. Und sie erzählte noch allerlei von Gaitonde und seiner Niedertracht. Unschuldige Menschen habe er umgebracht und behauptet, sie seien Freunde von Suleiman Isa gewesen. Eine Wanze, dieser Kerl.
    »Wissen Sie etwas von einem Sadhu, mit dem er zu tun hatte?«
    »Einem Sadhu? Nein. Dieses fromme Getue, das war. doch alles Schau. Der hat in seinem ganzen Leben nichts Gutes getan. Verbrennen soll er!«
    Sartaj bedankte sich und sagte: »Ich muß Schluß machen, Bibi.«
    »Reden Sie auch mit Leuten aus dem Gaitonde-Lager?«
    »Mit dem einen oder anderen, Bibi.«
    Sie lachte. »Na gut, Sie brauchen's mir nicht zu sagen, wenn Sie nicht wollen, Beta. Aber wenn Sie mal Probleme haben, kommen Sie zu mir. Schließlich sind Sie Sardar-saabs Sohn.«
    »Ja, Bibi.«
    »Rufen Sie wieder an. Ich bin zwar eine alte Frau, aber Sie sollten Kontakt halten, ich könnte Ihnen einmal nützlich sein. Ich gebe Ihnen meine Privatnummer.«
    Sartaj schrieb die Nummer in sein Notizbuch, aber er glaubte nicht, daß ihm die schwatzhafte alte Frau groß von Nutzen sein würde. Sie hatte nichts Brauchbares für ihn, oder vielleicht hatte er nichts, was sie im Tausch gegen eine gute Information hätte gebrauchen können. Er legte den Hörer auf und sah sich im Revier nach Katekar um.

    Mary Mascarenas saß zitternd auf ihrem Bett, den Kopf gesenkt, die Arme um ihren Bauch geschlungen. Vielleicht hatte sie Streit mit Jojo gehabt, vielleicht hatte sie ihrer Schwester sogar den Tod gewünscht, aber nun war ein Teil ihres Lebens weggebrochen, und dieser Verlust erschütterte sie bis ins Mark. Es war zwecklos, sie anzusprechen, bevor ihre Erregung abgeklungen war, und so warteten Sartaj und Katekar ab und sahen sich in der Wohnung um - ein Zimmer mit Küche und einem winzigen Bad. Eine grün-schwarze Tagesdecke lag auf dem schmalen Bett, ein paar kleine Pflanzen standen auf dem Fensterbrett, außerdem hatte sie ein altes schwarzes Wählscheibentelefon, zwei gerahmte Bilder an der Wand und auf dem Boden einen grau gemusterten dicken Baumwollteppich mit Fransen. Sartaj saß auf dem einzigen Stuhl am Fußende des Bettes und betrachtete dieses Refugium, das sie sich geschaffen hatte. Die Wände waren blaßgrün - sie hatte sie zweifellos selbst gestrichen -, passend zu dem dunkleren Grün der Pflanzen und dem Smaragdgrün der Bilder, auf denen Hütten in üppige Vegetation gebettet lagen und Papageien durch Baumwipfel flogen. Die strahlende Mumbai-Sonne drang durch die weißen Jalousien und ließ die Farben, mit denen Mary Mascarenas sich umgeben hatte, und ihr schimmerndes Haar, das über ihr Gesicht herabfiel, aufleuchten.
    Katekar verdrehte die Augen. Er tappte in die Küche, und Sartaj sah, wie er den Kopf neigte und drehte. Er machte Inventur. Als nächstes würde er ins Bad gehen und haarklein registrieren, was er dort an Tiegeln und Töpfchen, Zahnbürsten und Gesichtscremes vorfand. Diese Detailbesessenheit war eine Eigenschaft, die sie gemeinsam hatten. Das war Sartaj zum ersten Mal aufgefallen, als Katekar ihm vor Jahren über einen Taschendieb Bericht erstattet hatte, der auf der Bahnstrecke Churchgate-Andheri arbeitete. Katekar hatte Namen, Alter und Größe des Mannes heruntergeleiert und dann hinzugefügt, daß der Kerl drei Frauen und eine Schwäche für knusprige Papri chaat 102 476 und Faluda 190 habe, was in dem Basti, in dem er aufgewachsen war, allgemein bekannt sei. Drei Wochen später hatten sie ihn in der Mathura Dairy Farm nahe dem Bahnhof Santa Cruz festgenommen, wo er nach einer einträglichen abendlichen Rush-hour über einen Teller Bhelpuri gebeugt saß, ihm gegenüber seine schielende Freundin, die auf dem besten Wege war, Ehefrau Nummer vier zu werden.

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