Der Pate von Florenz
Der Vater will, dass ich die Tochter des Ziegelbrenners in Pistoia heirate! Aber ich will nur dich, Fiora!« Er nahm ihr Gesicht in beide Hände und blickte ihr in die Augen. »Ich kann und will nicht länger dagegen ankämpfen, dass ich dich liebe und dass ich ganz verrückt bin vor Sehnsucht nach dir!«
Fassungslos stand sie vor ihm. Ihr Herz begann zu rasen. »Ja … aber … Marcello …«, stammelte sie.
»Nein, sag nicht aber, Fiora! Ich habe genug von den Tausenden von Aber-Sätzen, mit denen ich mich gequält habe«, fiel er ihr beschwörend ins Wort, und bevor sie etwas erwidern konnte, verschloss er ihren Mund mit seinen Lippen.
Fiora war wie gelähmt. Doch dann schlang sie ihre Arme um ihn und erwiderte den Druck seiner Lippen.
Für eine kurze Zeit war alles andere vergessen. Die Welt schien nur aus ihren Händen und ihren Lippen zu bestehen, deren Zärtlichkeiten alles Denken und Empfinden beherrschte.
Umso niederschmetternder war die Ernüchterung, die dem Zauber ihrer innigen Küsse folgte, als sie einander losließen.
»Mein Gott, was soll jetzt nur werden?«, flüsterte Fiora mit brennenden Lippen.
»Ich weiß es nicht«, antwortete Marcello ebenso leise. In vier Tagen war Ostern und dann wollte der Vater seine Antwort. Aber wie sollte er ihm erklären, geschweige denn verständlich machen, dass er Letta nie und nimmer heiraten konnte, weil er Fiora liebte und nur sie zur Frau wollte?
»Ich weiß es nicht«, sagte er noch einmal. »Ich weiß nur, dass ich dich liebe und dass ich dich niemals aufgeben werde! Um keinen Preis der Welt!«
6
D ie finsteren Mienen seiner vornehmen Begleiter, die übellaunig und fast unhöflich schweigsam mit ihm durch die nächtliche Hügellandschaft von Fiesole nach La Loggia zurückritten, während hinter ihnen die kleine Schar aus Dienerschaft und Waffenknechten laut schwatzte, fielen Kardinal Riario nicht auf. Das reichhaltige Essen, der viele Wein, die Besichtigung des Klosters La Badia und die Anstrengung, sich über Stunden hinweg an der Unterhaltung beteiligen zu müssen, hatten den Siebzehnjährigen erschöpft. Immer wieder nickte er im Sattel ein. Er war froh, nicht auch noch auf dem Rückweg zur Pazzi-Villa reden zu müssen. Die Schweigsamkeit der Männer an seiner Seite hielt er für höfliche Rücksicht und deren düstere, verkniffene Mienen verbarg die Dunkelheit.
Vieles von dem, was Lorenzo und das Oberhaupt der Pazzi bei Tisch zu den Themen Politik und Kunst gesagt hatten und was im Kloster an Kunstwerken zu bewundern gewesen war, hatte er nicht verstanden und es hatte ihn angestrengt, sich diese Unwissenheit nicht anmerken zu lassen. Glücklicherweise hatte Lorenzo de’ Medici sich als überaus liebenswürdiger und verständnisvoller Gastgeber erwiesen und ihm mehrmals geholfen, indem er ihm die richtige Antwort durch eine scheinbar um Bestätigung bittende Frage in den Mund gelegt hatte. Er stand noch immer ganz unter dem Eindruck der Ausstrahlung, der Eleganz, des gelehrten Wissens und der Weltgewandtheit, die dieser außergewöhnliche Mann in sich vereinigte. Zu schade, dass er sich mit dem Heiligen Vater überworfen hatte. Das musste irgendwie beigelegt werden, und wenn er ein wenig dazu beitragen konnte, was Lorenzo vorsichtig angedeutet hatte, so wollte er das nur zu gern tun.
Während er mühsam gegen den Schlaf ankämpfte, dachte er voller Vorfreude an das österliche Hochamt, das er in drei Tagen im Dom Santa Maria del Fiore zusammen mit dem Erzbischof von Florenz zelebrieren sollte. Auch war er höchst gespannt, den Palazzo der Medici, über dessen einzigartige Pracht man sich so viel erzählte, mit eigenen Augen zu sehen. Und das Bankett, das Lorenzo ihm zu Ehren gab, würde gewiss ein nicht minder großes Erlebnis sein.
Froh, endlich die Villa der Pazzi erreicht zu haben, dankte er seinem Gastgeber und begab sich umgehend zu Bett. Jacopo de’ Pazzi jedoch verständigte sich mit seinem Neffen Franceschino, Erzbischof Salviati, Graf Riario und Hauptmann Montesecco durch vielsagende Blicke und verstohlene Zeichen, dass sie miteinander reden müssten, und zwar auf der Stelle, am besten draußen im Garten, wo sie vor den neugierigen Augen und Ohren der Bediensteten sicher waren.
»Zum Teufel, damit ist unsere beste Gelegenheit, die wir je hatten, um die Medici aus dem Weg zu schaffen, leider ungenutzt geblieben!«, platzte der alte Pazzi heraus, als sie sich weit genug von den Gebäuden entfernt hatten, und starrte seinen Neffen an,
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