Der Pate von Florenz
Priesters oder den Habit des Ordensmannes getragen. Sie waren im wahrsten Sinne des Wortes über Nacht zu Kirchenfürsten geworden oder hatten Adelstitel und Lehen geschenkt bekommen. Wie kein anderer Papst zuvor hatte Sixtus IV. das Füllhorn der pietas, das ungeschriebene Gesetz der Dankabstattung an Angehörige und Freunde, über sie ausgeschüttet. Francesco della Rovere, wie Papst Sixtus in Wirklichkeit hieß, einstmals General des Franziskanerordens, war aus einfachen Verhältnissen zum Kardinal aufgestiegen. Nach seiner Wahl zum Nachfolger Petri hatte er fast seine ganze weit verzweigte Familie nach Rom geholt und sie mit hohen Ämtern und Pfründen überhäuft.
»Ein Bild des Jammers, um nicht zu sagen des Abscheus, Eure Heiligkeit! So manch kultivierter Mann hat sich damals wohl zu Recht gefragt, wie man in solch einer üblen Stadt freiwillig leben kann«, antwortete Erzbischof Francesco de’ Salviati. Dieser ehrgeizige Mann von dreiunddreißig Jahren stammte aus einer vornehmen Florentiner Familie. Er wusste, was der Papst, sein Gönner und Retter aus höchster finanzieller Not, hören wollte. Denn dass er nicht im Schuldturm gelandet war, verdankte er einzig und allein Sixtus. Nachdem er sein beträchtliches Erbe durch zweifelhafte Geldgeschäfte verloren hatte, war die Ernennung zum Erzbischof von Pisa seine Rettung gewesen.
»In der Tat, Francesco! Ein Sündenpfuhl und ein abstoßendes Drecksnest war Rom, bevor unser Heiliger Vater sich mit bewundernswürdiger Tatkraft und Weitsicht der Stadt angenommen hat«, pflichtete ihm Graf Girolamo Riario eilfertig bei, der zur Rechten seines päpstlichen Onkels saß und der als dessen Lieblingsneffe galt. Sixtus hatte ihn vor drei Jahren in den Grafenstand erhoben und gegen den ausdrücklichen Wunsch der Medici zum Herrscher über die stark befestigte Festung Imola in der Romagna gemacht. Das war ein gewaltiger Aufstieg gewesen für einen Mann, der davor als Kaufmannsgehilfe und Zollschreiber ein recht karges Auskommen gehabt hatte. Und Graf Riario legte sich nun auch ordentlich ins Zeug, um ein möglichst abstoßendes Bild von der Stadt zu malen, in die sein Onkel gekommen war, um Papst zu werden. »Die antiken Ruinen waren ein Trümmerfeld und ein Steinbruch für den Pöbel, bedeckt mit Gras und Erde! Schafe, Ziegen und Schweine liefen überall frei herum und die Stadt war bevölkert von einer Horde Parasiten und Huren!«
»Die unseren lieben Sixtus am Tag seiner Wahl fast gesteinigt hätten, als er sich der Menge gezeigt hat«, murmelte am anderen Ende der Tafel ein Spötter seinem Nachbarn zu, von dem er wusste, dass auch dessen Dankbarkeit und Ergebenheit nur geheuchelt waren. »Womit einmal mehr bewiesen ist, dass guter Wille keine Entschuldigung ist für klägliches Versagen.«
»Die Mitra 4 haben sie ihm mit ihren Steinen vom Kopf geworfen!«, raunte dieser nicht weniger hämisch zurück. »Ein schlechtes Omen für seine Regentschaft auf dem Heiligen Stuhl, die, wie ich hoffe, nur noch kurz sein wird.«
»Amen«, kam es leise zurück.
Währenddessen hatte Sixtus am Kopf der Tafel wieder das Wort ergriffen, nachdem Erzbischof Salviati und Graf Riario ihm die gewünschten Stichwörter geliefert hatten. Wortreich prahlte er nun mit der unter seiner Regentschaft erheblich verbesserten Kanalisation, mit der neuen Wasserleitung vom Quirinalshügel hinunter zum Brunnen im Stadtteil Trevi und mit den vielen anderen kostspieligen Baumaßnahmen, die er in den vergangenen fünf Jahren in Angriff genommen hatte, um aus Rom eine Stadt zu machen, die des Statthalters Christi auf Erden und seines Hofes als Residenz würdig war.
Die weitschweifigen Ausführungen zu dieser späten Stunde stießen nicht bei allen Zuhörern auf ungeteiltes Interesse, zumal Sixtus wieder einmal auf sein Vorhaben zu sprechen kam, so bald wie möglich eine neue Kapelle bauen und von den besten Künstlern der Zeit ausmalen zu lassen. Da er keine Gelegenheit ausließ, um von dieser Kapelle zu schwärmen, nannte man sie hinter seinem Rücken mittlerweile schon ein wenig spöttisch die Sixtinische Kapelle.
Zu jenen, die ihren Gedanken erlaubten, eigene Wege zu gehen, während sie ihrem Gesicht einen scheinbar aufmerksamen Ausdruck verliehen, gehörte auch Franceschino de’ Pazzi, der Leiter der römischen Niederlassung der Bank, die ihren Hauptsitz in Florenz hatte und die von seinem Onkel Jacopo de’ Pazzi, dem Oberhaupt der begüterten Familie, geführt wurde. Eigentlich war er auf
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