Der Pate von Florenz
vorauseilenden Leibwache nötig gewesen wären, öffnete sich die Mauer aus dicht gedrängt stehenden Menschen vor dem ungekrönten Fürsten von Florenz und seinem Ehrengast zu einer breiten Gasse, wie einst die Fluten des Roten Meeres vor Mose zurückgewichen waren. Gleichzeitig senkte sich der Lärm zu einem beinahe ehrerbietigen Raunen, als die Kirchenbesucher mit neugierigen Blicken dem Einzug des blutjungen Kardinals folgten, der in einem kostbaren Ornat an Lorenzos Seite durch das Mittelschiff schritt und dabei die Pracht und die Größe von Santa Maria del Fiore gebührend bewunderte.
Erzbischof Salviati, Graf Riario und die Pazzi hielten sich mit ihrem Tross aus Mitverschwörern und ahnungslosen Bediensteten anfangs noch dicht hinter ihnen. Doch schon auf halbem Weg zum Hochaltar sonderten sich kleine Gruppen vom Gefolge ab und verteilten sich im vorderen Kirchenraum. Dabei blieben Franceschino de’ Pazzi und Bernardo Bandini sowie die beiden Priester Stefano da Bagnone und Antonio Maffei zusammen. Nur Erzbischof Salviati folgte Lorenzo und dem Kardinal bis in den Altarraum.
Marcello hatte sich indessen durch die Menge bis in die Nähe des Hochaltars vorgekämpft. Dabei hatte er immer wieder Ausschau gehalten nach seinem Vater, um ihm in dem Gedränge nicht zufällig in die Arme zu laufen. Der hätte ihn bestimmt sofort nach seiner Entscheidung gefragt.
Je weiter Marcello sich durch das Menschengewimmel nach vorn vorgearbeitet hatte, desto besser war die Kleidung der Gottesdienstbesucher um ihn herum geworden und mit ihr der Geruch, der ihnen entströmte. Im hintersten Teil des Doms ballte sich an solch hohen Festtagen stets das Bauernvolk aus dem Contado zusammen.
Ein Stück weiter vorn traf man auf die einfachen Arbeiter der Stadt, die nicht weniger dicht gedrängt zusammenstanden und jedem, der an ihnen vorbeiwollte und nicht von herausgehobenem Stand war, das Vorankommen schwer machten. Da musste jeder Schritt mühsam erkämpft und nicht selten mit Ellbogenstößen und Stiefeltritten schmerzhaft bezahlt werden.
Vor diesem populo minuto, dem gemeinen Florentiner Volk, versammelten sich die Handwerker, Krämer und Ladenbesitzer, die ansehnlich herausgeputzt waren und schon mehr darauf achteten, nicht allzu sehr auf Tuchfühlung mit ihren Nachbarn zu stehen. Auch stiegen einem hier und da schon angenehme Gerüche in die Nase, die aus Taschentüchern oder kleinen Duftbeuteln strömten.
Die vielen Büttel, Herolde, Schreiber, Steuereintreiber und anderen Angestellten der städtischen Behörden bildeten die nächste Schicht. Diese Amtspersonen machten sich, überzeugt von ihrer Wichtigkeit, zusammen mit Kanonikern und Priestern in unmittelbarer Nähe des Hochaltars breit.
Aber erst auf den letzten Metern vor dem Hochaltar, wo man sich nur noch von edelsten Stoffen umgeben sah, hatte man wirklich genügend Raum, um sich nicht eingezwängt zu fühlen und seine kostbare Garderobe zur Schau stellen zu können. Auch brauchte man sich hier nicht ein parfümiertes Taschentuch vor die Nase zu halten. Hier roch es nur nach sündhaft teuren Essenzen und Stoffen. Dieser vordere Bereich gehörte den Reichen und Vornehmen der Stadt, die gewöhnlich durch die oberen Seitenportale und damit auf direktem Weg vom Domvorplatz gleich vor den Hochaltar gelangen konnten. Kein Bauer und kein Arbeiter wagte es, sich so weit nach vorn zu begeben.
Freundlich nickte Marcello einigen ihm gut bekannten Männern zu, die wie Francesco Nori, Gismondo della Stufa und Antonio Ridolfi zu Lorenzos Brigata gehörten. Wenig später beobachtete er, wie Giuliano sich auf der anderen Seite des Hochaltars aus einer Gruppe von Medici-Freunden löste.
Er trat zu seinem Bruder und begrüßte den Kardinal. Danach führten die beiden Medici ihn und Erzbischof Salviati unter die Cupola, wo der Kardinal zusammen mit dem Erzbischof von Florenz die Messe zelebrieren würde. Dann trennten sich die Brüder sogleich wieder und brachten so viel Raum wie nur möglich zwischen sich, wie sie es stets aus Gründen der Sicherheit taten, wenn sie sich zusammen in der Öffentlichkeit zeigten.
Während Lorenzo sich zu seinen Freunden Francesco und Gismondo südlich des Hochaltars gesellte und sich damit auch in Marcellos Nähe begab, ging Giuliano auf die nördliche Seite vom Hochaltar.
Nun konnte die Messe endlich beginnen. Niemand achtete auf die beiden Geistlichen Stefano da Bagnone und Antonio Maffei, die sich scheinbar ziellos durch die reiche
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