Der Pate von Florenz
Stadt und Land Cosimo persönlich ihr Anliegen vortragen durften und mit welchen Gefälligkeiten die Kunden der Medici bei Laune gehalten werden sollten!«
»Das brauchst du mir nicht zu erzählen, denn mit unserer Familiengeschichte bin ich nicht weniger vertraut als du«, sagte Marcello, der nun selbst ungehalten war. »Die Geschichten haben wir beide zur Genüge gehört und ich, da ich nun mal nur zwölf Minuten nach dir zur Welt gekommen bin und nicht Jahre später, auch immer mit dir zusammen! Aber aus dem, was unser Vater sich mühevoll erarbeitet hat, kannst du doch nicht den Anspruch ableiten, dass auch du in so einem jungen Alter in eine ähnlich wichtige Stellung bei den Medici berufen wirst!«
Alessio bedachte ihn mit einem herablassenden Seitenblick. »Dass du so etwas sagst, wundert mich nicht. Dein Ehrgeiz war ja nie sehr ausgeprägt. Aber ich beabsichtige, dafür zu sorgen, dass das Haus Fontana auch in Zukunft eine gewichtige Rolle in Florenz spielt. Und da es nun mal die Medici sind, die den Ton angeben, muss man ihnen mög lichst früh beweisen, dass man unersetzlich ist für sie«, sagte er mit grimmiger Entschlossenheit. »Ich muss noch einmal mit Vater reden. Es wird Zeit, dass er sich nicht länger ziert und Lorenzo dazu bringt, meine Fähigkeiten zu würdigen und mich in den engeren Kreis seiner Freunde und Vertrauten zu holen. Ich denke, das sind die Medici ihm schuldig.«
Marcello zuckte mit den Achseln. Was hätte er auch sagen sollen? Es führte zu nichts, wenn er Alessio daran erinnerte, dass ihr Vater seine ganz eigenen Ansichten darüber hatte, auf welchem Weg seine Söhne sich bewähren und sich für höhere Aufgaben empfehlen sollten. Das hatte er ja erst vor Kurzem mit Silvio bewiesen, den er kurzerhand nach Pisa und damit gewissermaßen an das Ende der Welt geschickt hatte. Und im Gegensatz zu seiner unerschütterlichen Loyalität den Medici gegenüber hatte er von Vetternwirtschaft noch nie etwas gehalten.
Alessio ärgerte sich darüber, dass sein Zwillingsbruder kein Verständnis für ihn zeigte. »Du wirst schon sehen, dass ich erreiche, was ich mir vorgenommen habe!«
Marcello sagte nichts, sondern wunderte sich im Stillen wieder einmal darüber, wie verschieden sie beide doch waren. Sie mochten als Zwillinge zur Welt gekommen sein, aber das war auch schon ihre einzige Gemeinsamkeit. Sie teilten weder das Temperament noch die Einstellung zum Leben und auch in ihrem Äußeren gab es große Unterschiede. Wer nicht wusste, dass sie zur selben Stunde geboren worden waren, würde sie niemals für Zwillingsbrüder halten.
Verwechseln konnte man sie ohnehin nicht. Dafür sorgte schon, dass Marcellos Haar hellbraun, leicht gewellt und fein war, genau wie das ihrer Mutter Carmela, während Alessio sein viel dickeres dunkelbraunes Lockenhaar von ihrem Vater geerbt hatte. Zudem hatte Alessio auch dessen dunkle Augenfarbe und markante Kinnpartie, wohingegen die Mutter Marcello das Rauchblau ihrer sanftmütigen Augen mitgegeben hatte.
»Und was ich dir auch noch dazu sagen will …«, setzte Alessio nach dem langen missmutigen Schweigen an. Doch für das, was er noch loswerden wollte, blieb keine Zeit mehr. Denn in diesem Augenblick gab Lorenzo das Zeichen zum Aufbruch und die Diener beeilten sich, die angeleinten Pferde zu holen.
Marcello war es recht, dass er sich nicht noch länger mit seinem Bruder streiten musste. Er stand rasch auf, um sein Pferd in Empfang zu nehmen.
Lorenzo und Giuliano kamen Seite an Seite auf sie zu. Beide waren in feinstes Tuch gekleidet. Sie trugen ein abgestepptes und dick gefüttertes Wams aus Seide, gold-rot gestreift, ganz nach den Farben ihres Wappens, das sechs rote Kugeln, die palle, auf goldenem Grund zeigte. Das Wappen selbst fand sich auf ihrem tiefroten Samtumhang, dessen Kragen mit Hermelin besetzt war.
Als Marcello ihre heiteren Mienen sah, fuhr es ihm durch den Kopf, wie verschieden auch diese beiden Brüder waren. Beide Männer waren hochgewachsen und kräftig gebaut. Aber damit endeten ihre Gemeinsamkeiten auch schon. Denn während Giuliano das Bild eines stattlichen jungen Mannes mit ansprechenden, wenn auch nicht gerade ausgeprägten Zügen bot, war Lorenzo äußerliche Schönheit versagt geblieben. Seine Stirn war wulstig, die Nase lang und an der Spitze platt und die Unterlippe schob sich über die Oberlippe. Zudem hatte er die dunkel getönte Hautfarbe seines Großvaters Cosimo und er war derart kurzsichtig, dass er weiter entfernte
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