Der Pate von Florenz
seiner Bitte ein freundliches Sei doch so gut vorangestellt«, wandte Marcello besänftigend ein.
»Und wennschon!«, grollte Alessio und stieß wütend mit seiner Stiefelspitze nach einem kleinen Stein. »Das war doch nichts weiter als eine Floskel, die an der Sache selbst nicht das Geringste ändert!«
»Und ich sage dir, er hat sich wirklich nichts Herabsetzendes dabei gedacht«, versicherte Marcello noch einmal. »Ihm ging es nur darum, dass er schnell an seine Tasche mit dem neuen Gedicht kam. Und du hast nun mal neben ihm gestanden, also hat er dich darum gebeten. Das ist doch kein Grund, dass du dich so sehr darüber aufregst und ihm unterstellst, er würde dich mit einem Bediensteten gleichsetzen.«
»Tu ich aber!«, erwiderte Alessio störrisch.
Marcello schüttelte den Kopf. »Manchmal bist du wirklich sehr empfindlich.«
»Nein, ich sehe die Dinge nur klarer als du«, widersprach sein Bruder. »Mach dir doch nichts vor, Marcello! Für Lorenzo stehen wir nicht auf derselben Stufe wie die anderen aus seiner Brigata, auch wenn wir in diesen Tagen mal wieder mit von der Partie sind. Vater hat schon recht gehabt, als er meinte, dass diese Gelegenheit nicht gerade die günstigste sei, um unsere Bande mit den Medici zu festigen. Wir hätten die Einladung erst gar nicht annehmen sollen.«
»Lorenzo ist nun mal von Kindesbeinen an daran gewöhnt, dass man ihm huldigt. Außerdem kam die Einladung von Giuliano«, erwiderte Marcello. Insgeheim musste er seinem Bruder allerdings recht geben, wie Lorenzo über ihn und seinen Bruder dachte. Zwar hatte ihr Vater es zu einem beachtlichen Vermögen gebracht und er war noch immer der hoch angesehene Consigliere des Hauses Medici, aber mit dem Reichtum der anderen Patriziersöhne, mit denen Lorenzo sich umgab, konnte ihre Familie längst nicht mithalten. »Und Giuliano ist anders als sein Bruder, sehr viel zugänglicher und liebeswürdiger, weil er nicht Tag für Tag die große Verantwortung spürt. Auf Lorenzos Schultern ruht schließlich das Schicksal unserer Republik. Giulianos Einladung kam wirklich von Herzen.«
»Ja, Giuliano ist anders«, räumte Alessio ein. »Obwohl es ihm dabei mehr um dich ging als um mich. Du stehst ihm viel näher als ich. Aber was bringt uns diese Freundschaft denn schon ein? Giuliano steht im Schatten von Lorenzo, wie du gerade richtig gesagt hast, und er hat im Hause Medici nichts zu sagen. Und wenn das so weitergeht, gilt das bald auch für uns!«
Es versetzte Marcello einen schmerzhaften Stich, als er seinen Bruder so reden hörte, zumal dieser gar nicht darüber nachdachte, wie verletzend seine Worte auf ihn, Marcello, wirken mussten. Aber das war wohl das Recht des Erstgeborenen, der einmal das Haupterbe antreten und das Oberhaupt der Familie sein würde, dem sich jeder unterordnen musste. Als Zweitgeborener war er in dem bitteren Wissen aufgewachsen, dass ihn die zwölf Minuten, die er später als Alessio zur Welt gekommen war, für immer auf die Schattenseite des Lebens stellten, was seinen Erbanspruch und seine Rolle in den Unternehmen der Familie betraf. Vermutlich war das auch der Grund, warum Giuliano und er sich schon im Kindesalter so gut verstanden hatten und warum ihre freundschaftlichen Bande in letzter Zeit sogar noch enger geworden waren. Aber in Alessios Bemerkung schwang noch etwas anderes mit als nur die Überheblichkeit des Erstgeborenen – es war der wachsende Groll, dass Lorenzo ihm so wenig besondere Aufmerksamkeit zukommen ließ.
»Man soll den Wein nicht verkaufen, bevor die Traubenernte eingebracht ist«, sagte Marcello. Er konnte sich einen leicht bissigen Unterton dabei nicht verkneifen.
Alessio legte die Stirn in Falten. »Ach nein? Und was genau willst du mir mit diesem sinnigen Sprüchlein sagen, Bruder?«, fragte er sarkastisch.
»Dass du nicht ungeduldig werden sollst, sondern in Ruhe abwarten.«
»Und worauf, wenn ich fragen darf?«
Marcello suchte nach einer Antwort, die seinen Bruder nicht verletzte, wollte er doch nicht Gleiches mit Gleichem vergelten. »Na ja, dass Lorenzo dir eines Tages irgendeine vertrauensvolle Aufgabe überträgt. Darum geht es dir doch, nicht wahr?«
Alessio verzog das Gesicht, als hätte er in eine Zitrone gebissen. »Und wie lange soll ich deiner Meinung nach noch warten? Bis ich alt und grau bin? Herrgott, ich bin bald zwanzig! In dem Alter saß unser Vater schon im Bankhaus von Cosimo de’ Medici und hat wichtige Entscheidungen getroffen! Welche Bittsteller aus
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