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Der Pate von Florenz

Der Pate von Florenz

Titel: Der Pate von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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geschafft!
    Franceschino hätte beinahe laut gejubelt. Sie hatten den Hauptmann der Palastwache auf ihrer Seite! Jetzt galt es nur noch, sich Gedanken darüber zu machen, wie sie Truppen anwerben konnten und wo sie diese am besten verbergen konnten vor den Augen der Medici-Spione, bis der Tag gekommen war, an dem sie zuschlagen würden. Ein Plan musste ausgearbeitet werden, wie man die Medici-Brüder am besten in eine Falle locken und ausschalten konnte. Rom wäre wahrscheinlich der günstigste Ort für einen solchen Anschlag. Auch mussten sie den Hauptmann für dessen Mission, in Florenz Franceschinos Onkel, das Oberhaupt der Familie Pazzi und damit den wichtigsten Geldgeber der Unternehmung, zur Teilnahme zu bewegen, mit genauen Instruktionen und geheimen Beglaubigungsschreiben ausstatten. Aber das waren Kleinigkeiten, die rasch erledigt sein würden. Entscheidend war in dieser Stunde, dass Montesecco zu ihnen gestoßen war und dass der päpstliche Segen auf ihren Umsturzplänen lag. Zum Teufel mit dem Blut der Medici! Es musste – nein, es würde fließen!

19
    S ilvio saß im frischen Ufergras, kaute auf einem zähen Stück Hammel herum, das er noch rechtzeitig aus der Pfanne gefischt hatte, bevor es völlig verbrannt gewesen war, und starrte mit finsterer Miene auf den Arno. Das weiche Abendlicht entlockte den gleichmütig vorbeifließenden Fluten einen honigfarbenen Ton, der über den Sand, den lehmigen Schlamm und die Abfälle aus der Stadt hinwegtäuschte, die der Fluss mit sich führte. Auf dem gegenüberliegenden Ufer hatte der Frühling zwischen den Bäumen, die ihr kräftiges grünes Blätterkleid zur Schau stellten, einen farbenprächtigen Teppich aus blühenden Büschen und Wildblumen ausgebreitet.
    Doch nichts davon nahm Silvio wahr. Ihm war so bitter zumute, dass er gar nicht bemerkte, wie stark das Fleisch, dessen ledrige Fasern ihm zwischen den Zähnen stecken blieben, versalzen war. Wie waren ihm die vergangenen Monate zur Qual geworden! Und er wusste nicht, was er mehr verabscheute: die Nächte in der von Ungeziefer wimmelnden Hütte oder die endlosen Tage harter Arbeit.
    Er hatte geglaubt, dass sein Ziehvater nach vielleicht drei, spätestens nach vier Monaten einlenken und ihn wieder in den Palazzo zurückkehren lassen würde. Doch wie sehr hatte er sich geirrt! Während der wenigen Male, die beide beim Besuch der Messe kurz miteinander gesprochen hatten, war nicht ein einziges Wort aus seinem Mund gekommen, wann es denn endlich mit seiner Verbannung vor die Stadt ein Ende haben würde. Letzten Sonntag hatte sein Ziehvater ihm mitgeteilt, dass er auf dem Gelände der Ziegelei in Kürze einen Fondaco mit Wohnräumen errichten lassen würde. Das war genau das Gegenteil von dem gewesen, was er sich erhofft hatte. Denn dieser Ankündigung hatte er unschwer entnehmen können, dass er auch nach Fertigstellung des Kontors hier weiter ausharren musste.
    Diese Ankündigung hatte ihn noch härter getroffen als der Verzicht auf den Kostümball, den Lorenzo mit dem üblichen großen Pomp in Santa Maria Novella hatte ausrichten lassen.
    Stattdessen war er gezwungen gewesen, sich in schäbigen Tavernen mit dem billigsten Fusel zufriedenzugeben. Denn das wenige Geld, das ihm als Lohn für seine verfluchte Plackerei zustand, reichte vorn und hinten nicht. Wie feiner Sand zerrann es ihm zwischen den Fingern. Das meiste davon fand seinen Weg in die zerlumpten Taschen von Saccente, der ihn beim Glücksspiel ein ums andere Mal übertrumpfte und mit hämischer Freude seine Silberlinge einsackte. Selbst mit Würfeln und Karten brachte er nichts mehr zustande. Das Glück hatte ihn endgültig im Stich gelassen und mit diesem Schicksal wurde er einfach nicht fertig.
    Von hinten fiel ein Schatten über ihn. Er brauchte sich nicht einmal umzudrehen, denn das laute Schmatzen verriet ihm, dass es nur Saccente sein konnte, der wie ein ungehobelter Bauer fraß und sich nicht einmal schämte, wenn er beim Essen laute Rülpser und fürchterlich stinkende Fürze von sich gab.
    Der Vorarbeiter setzte sich neben ihn, spuckte ein Stück Knorpel ins Gras und hielt ihm eine Kruke aus gebranntem Ton hin. »Hier, nehmt einen ordentlichen Schluck von dem Gebrannten! Ist ein ganz anständiger Rachenputzer«, forderte er ihn auf. »Ihr scheint heute einen besonders üblen Tag zu haben. Und dagegen hilft nur ein gutes Gesöff!«
    Silvio ließ sich nicht lange bitten, obwohl er wusste, was ihn erwartete. Aber der schlimmste Fusel war immer

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