Der Pathologe weiß alles, ... aber zu spät.
haben. Der entscheidende Teil des Leserbriefes, in dem es um Organtransplantation ging, lautete: „Zum Zeitpunkt der Entnahme müssen die Organe warm und gut durchblutet sein, weil mit dem Eintritt des Todes ihr Zerfall beginnt. Für eine Transplantation wären sie dann wertlos. Die Organe müssen daher herausoperiert werden, wenn der ,Spender' bzw. das ,Opfer' noch am Leben ist.“
Die nächste Instanz, ein Disziplinarsenat beim Bundesministerium für Gesundheit, bestätigte das ursprüngliche Schulderkenntnis: „Durch die nicht näher erläuterte Behauptung, daß Organe noch lebenden Menschen entnommen werden, hat Dr. J. L. das Ansehen der österreichischen Ärzteschaft in der Öffentlichkeit beeinträchtigt .“ Dem Argument des Verurteilten, er sei Ganzheitsmediziner, für ihn gebe es daher keinen „Gehirntod“, erwiderte der Berufungssenat, daß es dem Beschuldigten unbenommen bleibe, eine von der herrschenden Auffassung abweichende Meinung zu vertreten. Er dürfe aber dabei nicht unerwähnt lassen, daß er damit im Widerspruch zur allgemein anerkannten Lehre und gesetzlichen Situation in Österreich steht. Der beschuldigte Arzt erwecke beim durchschnittlichen Leser den Eindruck, daß Organentnahmen bei Menschen vorgenommen werden, die zur Zeit der Entnahme noch leben. Diese Vorstellung sei für jedermann und insbesondere für allfällige Angehörige von Organspendern unerträglich und geeignet, die mit der Organentnahme befaßten Ärzte als gefühllos, unmenschlich und vor allem an Ruhm und Erfolg interessiert anzusehen. Demnach werde durch den Leserbrief das Ansehen der betroffenen Ärzteschaft der Öffentlichkeit gegenüber erheblich beeinträchtigt.
Der disziplinär verurteilte Arzt wandte sich daraufhin an den Verfassungsgerichtshof, welcher seiner Beschwerde stattgab und feststellte, ein Disziplinarvergehen mit Beeinträchtigung des Ansehens der österreichischen Ärzteschaft habe nicht stattgefunden. Um nicht selbst demnächst vor dem Richter zu stehen, breche ich eine weitere Diskussion hier ab und stelle lediglich fest: Transplantationsärzte sind Spitzenmediziner, die selbstverständlich noch lebende, funktionsfähige Organe verpflanzen, die allerdings von einem toten Menschen stammen . . .
HILFE BEIM STERBEN
Wir leben in einer Zeit der Verdrängung und Tabuisierung des Sterbens und neigen zur Illusion eines unbegrenzten Fortschrittes der Medizin, ja sogar zur Utopie von der Machbarkeit aller Dinge (einschließlich der Beseitigung des Todes). Dennoch wurden in den letzten Jahren das Recht auf einen menschenwürdigen Tod und das Recht auf Hilfe beim Sterben immer häufiger diskutiert. Für den Arzt war das zunächst besonders schwer, denn er mußte die Grenzen der Medizin akzeptieren. Wir haben jedoch rasch erkannt, daß wir nicht das Recht haben, das Sterben zu verzögern, es wie im Zeitlupentempo ablaufen zu lassen und dadurch dem Patienten Qualen zu bereiten. Im Auftrag des Arztes steht an erster Stelle die Gewährung von Hilfe. Dazu gehört die Geburtshilfe, die Erste Hilfe bei Verletzungen und selbstverständlich auch die „Letzte Hilfe“. Die maßgebenden Richtlinien für das ärztliche Handeln lassen sich, unbeschadet der Einmischung von Theologie und Juristerei, in zwei Sätzen formulieren:
Es ist Aufgabe des Arztes, das Leben zu verlängern, aber nicht das Sterben.
Der Arzt soll nicht zum, sondern beim Sterben helfen.
Man vermeide das Wort „Sterbehilfe“, dieser Begriff weckt falsche Vorstellungen. Es geht um die Betreuung Sterbender. Sterben ist keine Krankheit, der Arzt kann hier nicht mehr heilen, sondern nur helfen, und dazu sollten wir uns verpflichten.
Warum gibt es Kurse über „Erste Hilfe“? Weil es sinnvoll ist. Warum gibt es keine Lehrgänge zur „Letzten Hilfe“?
Die Betreuung der schwangeren Frauen und des sich entwickelnden Kindes sind eine Selbstverständlichkeit geworden. Es entsteht laufend Leben, aber was ist zu tun, wenn Leben vergeht? Haben wir eine entsprechende Betreuung der Sterbenden? Zweifel sind angebracht! Der bohrende Pfeil, der unser Gehirn trifft, ist bekanntlich das Fernsehen. Dort erleben wir eine Welt der Schönen und Reichen, der Starken und Gesunden. Und wenn es dem Drehbuchautor gefällt, wird entweder erschossen oder gesprengt, die Guten leiden kurz, die Bösen etwas länger. Mehr wird nicht gezeigt, denn dann müßte man ja statt schauen auch denken.
Erstmals sah der englische Philosoph und Staatsmann Francis Bacon (1561-1626) die
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