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Der Pathologe

Der Pathologe

Titel: Der Pathologe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Punktion hatte sich Marian Boehmer eingenässt, und er tat so, als nähme er nicht zur Kenntnis, wie die Schwester ihr die Oberschenkel abwischte.
    Als er wieder ihre Hand nahm, sagte sie: »Ach, sehen Sie mich an. Ich bin ja das reinste Baby.«
    Jeremy fuhr ihr sanft über die Haare. »Sie sind eine Kämpfernatur. Wenn ich in Schwierigkeiten stecken würde, hätte ich Sie gern auf meiner Seite.«
    Marian Boehmer brach in Tränen aus. »Ich habe zwei Kinder«, sagte sie. »Ich bin eine sehr gute
Mutter

    Jeremy blieb bei ihr, bis der Krankenpfleger kam, um sie zurück in ihr Zimmer zu rollen. Als er die Tür öffnete, machte er sich darauf gefasst, mit Angela Rios ein Fachgespräch im Flur zu führen. Medizinisches Geplauder, das unvermeidlich auf einen privaten Annäherungsversuch hinauslaufen würde. Rios war eine schöne Frau, aber …
    Er verließ den Raum und hörte den schwachen Widerhall von Stimmen, Telefonen, Schritten, Ankündigungen über Lautsprecher, ratternden Bahren. Eine einzelne Schwester saß zehn Meter entfernt in der nächsten Station und füllte eine Tabelle aus.
    Der Flur war leer. Von Angela nichts zu sehen.

6
    An einem regnerischen Donnerstagabend kurz vor sieben stieß Jeremy bei seinem Weg aus dem Krankenhaus auf die in einen Regenmantel gehüllte massige Gestalt von Detective Bob Doresh.
    Doresh trieb sich vor den Aufzügen in der Nähe der Süßwarenautomaten herum, rieb sich den ausgeprägten Unterkiefer und mampfte vor sich hin. Als er Jeremy sah, steckte er eine farbenfrohe Verpackung in die Hosentasche und kam auf ihn zugetrabt. »Haben Sie ’nen Moment Zeit, Doc?«
    Jeremy ging weiter und gab Doresh durch ein Zeichen zu verstehen, er könne ihn begleiten.
    »Wie geht’s Ihnen so, Doc?«
    »Ganz gut. Und Ihnen?«
    »Mir?« Doresh schien durch die höfliche Rückfrage beleidigt zu sein. Als ob sein Beruf ihm das Recht auf ein absolutes Privatleben gäbe.
Ich stelle hier die Fragen …
    »Mir geht’s prima, Doc.« Er wischte sich einen Krümel Schokolade von den Lippen und blinzelte mehrfach. »Ausgeglichen und wohlgenährt. Also ist alles in Butter bei Ihnen?«
    »Ich lebe noch.«
    »Nun ja, das ist gut«, sagte Doresh. »Besonders wenn man die Alternative bedenkt.«
    Sie kamen an der Marmorwand vorbei, in die die Namen der Stifter des Krankenhauses eingraviert waren, schoben sich durch die Glastür und gingen durch den überdachten Gang zum Ärzteparkplatz. Der günstig gelegene Parkplatz. Nach Jocelyn war davon gesprochen worden, den für die Schwestern näher am Krankenhaus einzurichten, aber daraus war nichts geworden.
    »Nett, trocken zu bleiben«, sagte Doresh.
    »Was liegt an, Detective?«, fragte Jeremy.
    »Ich komme gleich zur Sache, Doc. Das klingt bestimmt wie eins dieser Filmklischees, aber wo waren Sie letzte Nacht, sagen wir, zwischen zehn und Mitternacht?«
    »Zu Hause.«
    »War jemand bei Ihnen?«
    »Nein. Warum?«
    »Reine Routine«, erwiderte Doresh.
    Einen Moment lang dachte Jeremy, er würde sich weiterhin ans Drehbuch halten. Dann zerbrach irgendetwas, und er bellte: »Blödsinn«, und ließ Doresh hinter sich zurück.
    Der Detective holte ihn wieder ein, lachte leise vor sich hin, aber es lag kein Humor in dem Geräusch, das er machte. Das warnende Knurren eines großen, wachsamen Hundes.
    Diese Augen. Schienen Jeremy mit neuem Respekt anzusehen. Vielleicht war es aber auch Verachtung.
    »Sie haben Recht«, sagte Doresh. »Es ist völliger Blödsinn. Ich würde nicht meine Zeit damit verschwenden, hierher zu fahren und Smalltalk zu machen. Also sagen Sie mir Folgendes: Haben Sie irgendeine Möglichkeit, mir zu beweisen, dass Sie letzte Nacht allein zu Hause waren? Es würde uns beiden helfen, wenn Sie das könnten.«
    Jeremy verkniff sich die automatische Antwort:
Warum zum Teufel sollte ich das tun?
 »Nicht für die gesamten zwei Stunden. Ich bin spät nach Hause gekommen, gegen halb neun, bin etwa eine Stunde in der Nachbarschaft spazieren gegangen. Jemand könnte mich gesehen haben, aber falls dem so war, habe ich es nicht gemerkt. Dann bin ich nach Hause gegangen, habe geduscht, etwas getrunken – Scotch, Johnnie Walker, falls Sie das wissen wollen – und habe mir was zum Abendessen bestellt. Bei einem Pizzadienst. Eine mittelgroße, halb mit Pilzen, halb mit Käse. Sie ist gegen Viertel nach zehn geliefert worden. Ich hab dem Jungen fünf Dollar Trinkgeld gegeben, also erinnert er sich vermutlich an mich. Ich habe drei Stück davon gegessen – der

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