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Der Pathologe

Der Pathologe

Titel: Der Pathologe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Exkremente besitzen anästhetische Eigenschaften. Sein Modus Operandi besteht darin, seinen Kot auf der Haut des Opfers zu deponieren, was den doppelten Zweck erfüllt, sich zu erleichtern und die Epidermis des Wirts zu betäuben. Das gestattet ihm, einen raschen, sauberen Einschnitt zu machen, der groß genug ist, um einen extravagant gebogenen Legebohrer unterzubringen – einen Schnabel, wenn Sie so wollen, der mit dem Reproduktionstrakt der Kreatur verbunden ist, was eine schnelle Injektion der Eier ermöglicht. Von weiterem Interesse ist die Tatsache, dass es der Käfer
vater
ist, der das zuwege bringt. An all das wurde ich erinnert durch Ihre Erwähnung der Väter, die Gewalttaten erst möglich machen.«
    Lächeln. Ein bedauernder Blick auf das leere Glas. Arthur fuhr fort: »Sobald die Eier seiner Partnerin befruchtet sind, übernimmt das Männchen die volle Verantwortung für die Zukunft der Familie. Er dringt wieder in das Weibchen ein, extrahiert die Eier, injiziert sie in seinen eigenen Thorax und füttert die Brut mit seinem Körpergewebe, bis ein geeigneter Wirt gefunden ist.«
    »Der emanzipierte Mann«, murmelte Jeremy.
    »Genau.« Arthur drehte sein Cocktailglas, aß die Perlzwiebel und legte seine großen Hände flach auf den Tisch.
    »Was ist mit dem Patienten geschehen?«
    »Ich habe die gesamte Masse herausgeholt und dabei sehr genau darauf geachtet, dass nichts zurückblieb. Tausende von Larven, alle ziemlich lebendig und ziemlich prächtig entwickelt, wegen des hohen Proteingehalts junger amerikanischer Militärmuskulatur. Dem armen Lieutenant war bis auf eine Narbe und eine gewisse Empfindlichkeit für mehrere Wochen kein bleibender Schaden entstanden. Und mehrere Monate lang recht verstörende Träume. Er beantragte seinen Abschied und erhielt ihn. Zog nach Cleveland, glaube ich. Die Larven überlebten nicht. Ich versuchte eine Ersatznahrung für die kleinen Teufel aufzutreiben. Agar-Agar, Gelatine, Rinderbrühe, Knochenmehl, gemahlene Insekten – nichts hat funktioniert. Der faszinierende Aspekt an dem Fall war, dass die Existenz genau dieses speziellen Käfers seit einiger Zeit in Frage stand. Viele Entomologen hielten ihn für ausgestorben. Ein ziemlich interessanter Fall. Zumindest meiner Ansicht nach.«
    »Das Käfermännchen«, sagte Jeremy. »Die Sünden der Väter.«
    Arthur musterte ihn. Nickte schließlich ganz langsam. »Ja. Das könnte man sagen.«

5
    Jeremy und Arthur verließen zusammen die Bar und trennten sich an der Messingdrehtür des Hotels.
    Jeremy war betrunken, musste einen Spaziergang machen, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen, und trat hinaus auf die Straße. Es hatte ein bisschen geregnet. Die Bürgersteige rochen nach verbranntem Kupfer; die Stadt glühte. Er drang bis in die Randbezirke der Innenstadt vor, beschritt dunkle, mörderische Ausfallstraßen, ohne einen Gedanken an seine Sicherheit zu verschwenden.
    Nach seinem Gespräch mit dem Pathologen fühlte er sich merkwürdig hochgestimmt – furchtlos. Die grausige Geschichte des Offiziers mit dem Larvenbuckel hatte ihn aufgemuntert. Als er schließlich nach Hause fuhr, war sein Kopf klar, und als er an seinem kleinen Haus ankam, dachte er:
Was für ein erbärmlicher kleiner Bau. Mehr als genug für jemanden wie mich.
    Jocelyns Habseligkeiten waren zusammengepackt und zur Polizei geschafft worden. Vier Kartons, sie hatte so wenig mitgebracht.
    Doresh und Hoker hatten während der Packaktion dabeigestanden, und Doresh hatte gesagt: »Was dagegen, wenn wir das Badezimmer mit Luminol behandeln? Das ist ’ne Chemikalie, die wir versprühen, und dann machen wir das Licht aus, und wo es glüht …«
    »… da ist Blut«, beendete Jeremy den Satz. »Nur zu.« Fragte erst gar nicht: Warum das Badezimmer?
    Er kannte die Antwort. Das Badezimmer war der klassische Ort, wenn man vorhatte …
    Sie sprühten und fanden nichts. Beamte in Uniform trugen die vier Kartons weg. Erst als sie gegangen waren, merkte Jeremy, dass sie etwas mitgenommen hatten, das ihm gehörte.
    Ein gerahmter Schnappschuss, der auf seiner Schlafzimmerkommode gestanden hatte. Er und Jocelyn bei einem Spaziergang im Hafen, wie sie Garnelen aus einer Pappschale aßen, ein warmer Tag, aber windig, ihr Kopf reichte ihm gerade bis zur Schulter. Ihre blonden Haare flogen in alle Richtungen und verdeckten sein halbes Gesicht.
    Er rief Doresh an, bat um Rückgabe des Bildes, bekam aber nie eine Antwort.
    Er zog sich aus, fiel ins Bett und rechnete damit,

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