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Der Pathologe

Der Pathologe

Titel: Der Pathologe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Geschenk vorbeischauen könne, das sie gerade gekauft hatte, demallersüßestenkleinenstramplerderwelt.

21
    Die Psychiatrie-Sekretärin rief Jeremy an und sagte: »Sie werden auf der Sechs West verlangt.«
    Es war Mittwoch, seit seinem späten Abendessen mit den alten Exzentrikern war einige Zeit vergangen, und bis auf gelegentliche unwirkliche Erinnerungen war das Erlebnis aus seinem Gedächtnis gestrichen. Arthur Chess war ebenfalls aus seinem Kopf verschwunden. Er konnte gar nicht glauben, dass er sich Sorgen um das Wohlbefinden des alten Mannes gemacht hatte.
    Während der letzten paar Tage hatte er Angela einmal gesehen – eine halbe Stunde zum Kaffeetrinken und Händchenhalten, bevor sie wieder wegmusste. Während dieser Zeit redete sie vor allem über ihre Lungenkrebspatientin, der es nicht gut ging, und sagte: »Während meiner restlichen Zeit bei der Brustmedizin werde ich von der Lunge zum Herz wechseln. Das dürfte mir gut tun.«
    »Die Liebe zur Lunge wächst mit der Entfernung?«
    »Autsch.«
    »Entschuldige.«
    »Nein, das gefällt mir. Eine andere Seite von dir.«
    »Welche Seite ist das?«
    »Dass du normal sein kannst. Nicht so … beherrscht.«
    »Dazu kommt es immer wieder«, sagte er.
    »Nun ja, ich kenne sie noch nicht. Sie gefällt mir.«
    Sie drückte seine Hand und verließ ihn, um mit Sterbenden zu sprechen.
    »Wer hat mich angefordert?«, fragte er.
    »Dr. Dirgrove«, sagte die Sekretärin.
    »Kenne ich nicht.«
    »Na ja, das steht jedenfalls hier. ›Dirgrove.‹ Er ist Chirurg.« Das war eine überflüssige Information; Sechs war eine chirurgische Station. »Er möchte, dass Sie mit einer präoperativen Patientin sprechen.«
    »Warum?«
    »Das ist alles, was ich habe, Dr. Carrier.«
    »Er hat nach mir persönlich gefragt?«
    »Klar hat er das. Schätze, Sie sind berühmt.«
    Dirgrove trug einen OP-Kittel und saß Krankenblätter ausfüllend im Aufenthaltsraum der Ärzte auf der Sechs West, als Jeremy ihn aufstöberte.
    Der blasse, blonde Mann, dem er dabei zugesehen hatte, wie er im Speisesaal der Ärzte dem Kardiologen Mandel und dem dunkelhaarigen Chirurgen mit dem Schnurrbart irgendeine Art von Technik demonstriert hatte.
    Das Trio, das nach Jeremys Ansicht von Arthur beobachtet worden war, bis dieser seine Aufmerksamkeit wieder der Tageszeitung zuwandte. Und Jeremy zum Abendessen einlud.
    Im Sitzen hatte Dirgrove groß gewirkt. Wenn er stand, war er von mittlerer Statur, nicht größer als Jeremy und ungefähr fünf Kilo leichter. Einer dieser langgliedrigen Männer, die sich zu bewegen scheinen, obwohl sie sich nicht vom Fleck rühren. Er grüßte Jeremy mit einem warmen Lächeln und einem kräftigen Händedruck. »Dr. Carrier. Schön, Sie endlich kennen zu lernen. Vielen Dank, dass Sie gekommen sind. Ich heiße Ted.«
    Er sah dem Foto auf seinem Ausweis sehr ähnlich – eine Seltenheit. Ein kleines Foto von Dirgrove, wie er lächelte, was er auch im Moment tat.
    T. M. DIRGROVE, DR. MED., HERZCHIRURGIE.
    »Jeremy. Was kann ich für Sie tun?«
    Dirgrove legte das Krankenblatt beiseite, lehnte sich an den Schreibtisch, rieb einen Papierslipper gegen den anderen. Seine Augen waren tiefblau, eingefasst von Lachfältchen, klar, ernst, müde. Ein schwacher Schatten graublonder Stoppeln lag auf seinem eckigen Gesicht. Seine vom häufigen Waschen rosafarbenen Hände waren ständig in Bewegung. Sein Chirurgenkittel war weinrot. Jeremy ertappte sich bei dem Gedanken:
Damit das Blut nicht so auffällt
.
    »Ich soll eine junge Frau mit einem Ventrikelseptumdefekt operieren. So, wie es aussieht, reine Routine.« Dirgrove lächelte erneut. »Sie kennen den Spruch: Routine ist, wenn es jemand anderem widerfährt. Jedenfalls macht mir die junge Frau Sorgen. Sie ist äußerst ängstlich. Wir Operateure schenken diesen Dingen normalerweise wenig Beachtung, aber ich habe gelernt, ein wenig vorsichtiger zu sein.«
    »Vorsichtig, was Ängstlichkeit betrifft?«, fragte Jeremy.
    »Was die gesamte Körper-Geist-Verbindung betrifft.« Dirgrove legte seine Spinnenfinger zu einem Zelt zusammen. Er leistete sich eine hervorragende Maniküre, aber im Übrigen schien er wenig Wert auf seine äußere Erscheinung zu legen: Seine kurz und unregelmäßig geschnittenen Haare standen vom Kopf ab, und der Kittel war zerknittert. Er hatte sich nachlässig rasiert, so dass ein Büschel längerer fahler Haare an der Stelle zurückgeblieben war, wo Hals und Unterkiefer zusammenkommen. »Jemand wie ich kann in technischer

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