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Der Pathologe

Der Pathologe

Titel: Der Pathologe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Krankenhaus genommen, also fuhr Jeremy sie nach Hause. Während der Fahrt ließ sie eine Hand auf Jeremys Oberschenkel ruhen. An einer roten Ampel beugte sie sich zu ihm hinüber und küsste ihn innig, und er hörte sie schnurren.
    Als sie in ihrer Wohnung ankamen, begann die Routine: Sie ließ ihn auf dem verschlissenen Sofa Platz nehmen und verschwand im Badezimmer, um sich ihren grünen Hausmantel anzuziehen. Die verkümmerte Pflanze auf der Fensterbank war verschwunden. Die Wohnung war trotz ihrer Abwesenheit nicht weniger schäbig.
    Die Badezimmertür ging auf, und Angela schwebte mit fest zugeschnürtem Hausmantel zu ihm hinüber. Sie glitt neben ihm auf das Sofa und legte den Kopf in seinen Schoß. Er berührte sie am Kinn und streichelte ihre Haare.
    »Gehen wir ins Bett«, sagte sie.
    Ihr Schlafzimmer war kühl. Als sie die Bettdecke bis zum Hals hochzogen, sagte sie: »Krieg das nicht in den falschen Hals, aber ich will es heute Nacht nicht tun. Ich will nur festgehalten werden.«
    »In den falschen Hals?«
    »Als ob ich dich an der Nase herumgeführt hätte.«
    »Das hast du nicht.«
    »Okay.«
    Sie lagen auf dem Rücken und hielten Händchen.
    »Bist du sicher?«, fragte Angela.
    »Völlig sicher.«
    »Es ist nicht so, als ob ich dich nicht wollte. Ich will dich. Körperlich will ich dich. Ich würde nur …, in psychischer Hinsicht würde es nicht funktionieren. Okay?«
    »Du musst nichts erklären.« Jeremy führte ihre Hand an seine Lippen.
    Sie kuschelte sich an ihn und rutschte nach unten, so dass ihr Kopf in seinem Schoß lag. Jeremy hörte, wie sie tief und zufrieden ausatmete. Aus irgendeinem unsinnigen Grund erinnerte ihn das Geräusch an die murmelnde Stimme der Richterin Tina Balleron.
    Eine alte Frau, aber immer noch … attraktiv. Nein, nicht speziell sie. Frauen. Die Geräusche, die sie machten. Die wundervollen Dinge, die sie taten. Jeremy zog Frauen Männern vor. Das hatte er schon immer getan. Besonders einen bestimmten Typ Frau: klug, an Büchern interessiert, zur Zurückhaltung neigend. Verletzlich.
    Jocelyn war nichts davon gewesen, und dennoch …
    Er beugte sich hinunter, nahm Angelas Kopf in die Hände, küsste sie auf die Stirn.
    Sie veränderte ihre Position, griff nach unten. »
Du bist
interessiert.«
    »Rein körperlich.«
    »Du Bulle.«
    »Ich bin gekränkt, dass du mich für so ungehobelt hältst.«
    Sie lachte und zog sich an ihm hoch, bis ihre Köpfe wieder auf einer Höhe waren. Sie begannen sich zu küssen und blieben eine ganze Weile dabei. Kein Abtasten, keine Zungenduelle, nur zwei Lippenpaare, die einander zart streiften.
    »Junge, Junge«, sagte Angela.
    »Was ist?«
    »Nur Junge, Junge. Du machst mich glücklich.«
    »Ich bin froh.«
    »Mache ich dich glücklich?«
    »Klar.«
    »Bist du es?«
    »Was meinst du?«
    »Bist du glücklich? Es ist schwer festzustellen; du redest nicht viel«, sagte sie. »Normalerweise mag ich das. Mein Dad und mein Bruder reden praktisch dauernd. Großartige Burschen, aber in sprachlicher Hinsicht überwältigend. Wenn mein Bruder vom College nach Hause kam, war ich zum Zuschauer degradiert.«
    »Was ist mit deiner Mutter?«
    »Die geht einfach aus dem Zimmer. Da sie Ärztin ist, kann sie so viel zu tun haben, wie sie will.«
    »Der praktische Patientenanruf«, sagte Jeremy.
    »Du kennst dich da aus, hmh? Also raus mit der Sprache, warum redest du so ungern von dir?«
    »Es ist eine langweilige Geschichte.«
    »Das würde ich gern selbst entscheiden.«
    Jeremy erwiderte nichts. Vor Angelas Fenster hingen billige Jalousien. Das Mondlicht verwandelte sie in übergroße Bogen Pergament. Irgendwo draußen auf der Straße lief ein Radio. Rockmusik. Ein zu kräftiger Bass.
    »Ich hab dich verärgert«, sagte Angela.
    »Überhaupt nicht.«
    »Ich will nicht neugierig sein, aber wir sind miteinander … intim gewesen.«
    »Du hast Recht«, sagte Jeremy. »Was willst du wissen?«
    »Wo du geboren bist, wie deine Familie …«
    »Ich hab keine Familie.«
    »Gar keine?«
    »Nicht wirklich.« Er erzählte ihr, warum. Redete weiter. Begann mit dem Unfall und wie man ihn von einem Ort zum anderen verfrachtet hatte. Das Gefühl, allein zu sein – Gefühle, die er niemals in Worte gefasst hatte, weder während seiner Lehranalyse noch während seiner ersten Jahre in der Klinik, noch bei irgendwelchem Bettgeflüster mit anderen Frauen.
    Noch Jocelyn gegenüber. Mit einem Schock erkannte er, wie wenig er und Jocelyn miteinander geredet hatten.
    Am Ende

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