Der Pathologe
zwischendurch.
Angela als … Nachtisch?
Nein, das Bankett würde niemals enden, es sei denn, der Tafelnde erstickte.
Er dachte über Dirgroves Technik nach. Wie er Angela mit seiner Einfühlsamkeit beeindruckte. Damit, anders zu sein als die anderen Chirurgen.
Der gleiche Trick, den sein Vater benutzt hatte. Der charmante Ted war – wie alt? – Ende zwanzig gewesen, als sein Vater sich erhängt hatte. Kurz nach Beginn des Mannesalters, eine Zeit starker Sexualität, starker Impulse.
Der Impulse seines Vaters war er sich sehr bewusst.
Die Wurzel extrem schlimmen Verhaltens.
Ein intelligenter Mann, ein vorsichtiger Mann. Der Schritt gegen Angela war mit chirurgischer Präzision vorbereitet worden. Er hatte sie zu einer medizinischen Lektion eingeladen und die Zeitschriften, mit Lesezeichen versehen, fein säuberlich auf seinem Schreibtisch ausgelegt.
Angela, wie immer die gute Studentin, beginnt zu lesen, er tritt hinter sie.
Ich kann dich glücklich machen.
War das alles eine Art Vorbereitung – ein Appetithäppchen – für seinen endgültigen Plan gewesen?
Hatte Dirgrove Jocelyn genauso in die Falle gelockt? Sie hatte seinen Namen Jeremy gegenüber nie erwähnt, aber warum sollte sie auch? Dass ein Arzt sich mit einer Schwester beriet, kam alle Tage vor.
Hätte Dirgrove irgendwas mit Jocelyns Neurologie-Patienten zu tun haben können? Klar, wenn einer von ihnen Probleme mit dem Herz bekommen hätte.
War es möglich, dass er Jocelyn angemacht und sie ihm, Jeremy, nichts davon gesagt hatte?
Es hieß zwar, man sollte keine Geheimnisse voreinander haben, aber …
Jocelyn hatte sich sehr gewissenhaft um ihre Patienten gekümmert. Ein Arzt, der vorgab, das Gleiche zu tun, hätte sie tief beeindruckt.
Angela war eine hochintelligente Frau, und sie war reingelegt worden.
Jocelyn war trotz all ihrer Cleverness in ihrem Wesen unschuldig geblieben.
Leichte Beute.
Ein Arzt, der spät in der Nacht auf dem Parkplatz der Krankenschwestern auftauchte, winkend und lächelnd, würde keine Panik bei Jocelyn ausgelöst haben. Sie war schon immer zu optimistisch gewesen und hatte über Jeremys Anregung gelacht, dass sie besser nicht allein zu ihrem Wagen gehen sollte.
Ein erschöpfter Krieger im weißen Kittel, der ihr nach einem harten Tag auf der Station entgegenschlurfte, würde Jocelyns Sympathie hervorgerufen haben.
Er nähert sich ihr, sie plaudern.
Er schnappt sie sich.
Je mehr er darüber nachdachte, desto überzeugter wurde er, dass Dirgrove auch mit ihm gespielt hatte. Indem er ihn bat, Merilee aufzusuchen, Merilee aber nichts davon sagte. Wobei er wusste, dass Jeremy auf Wut und Widerstand stoßen und mit dem Gefühl weggehen würde, er hätte versagt.
Ihn verhöhnte, indem er ihm mitteilte, er sei eine große Hilfe gewesen.
Indem er die Botschaft von Angela überbringen ließ.
Die Überweisung war eine Farce gewesen.
Oder etwas viel Schlimmeres. Hatte Dirgrove mit all seinem Gerede über das Risiko einer autonomen Spitze einfach die Vorarbeit für etwas leisten wollen, von dem er wusste, dass es im OP passieren würde?
Hatte Merilee Angst vor ihrer Operation gehabt, weil sie spürte, dass etwas mit dem
Arzt
nicht stimmte?
Er ist ein steifer Knilch … außer wenn er seinen Charme spielen lässt. Meine Mom steht auf ihn.
Dirgrove hatte sich nicht mal die Mühe gemacht, Jeremy von der Katastrophe im OP zu informieren. Hatte die Nachricht in der Cafeteria fallen lassen, nachdem er mit Angela geplaudert hatte.
Wie hatte er es hingekriegt? Ein winziges Zucken des Handgelenks, nachdem er die Haut von der Brust zurückgezogen, durch den Knochen gesägt, den perikardialen Beutel freigelegt und lustvoll die Hand hineingesteckt hatte, um die pulsierende Pflaume – die gehäutete Tomate – zu packen, die Merilees Seele ernährte?
Was ist das Schlimmste, was passieren kann – dass ich sterbe?
Bis zu Jeremys Termin bei Doug Vilardi blieben ihm noch fünf Minuten. Er machte einen Umweg durchs Erdgeschoss des Hauptgebäudes, betrat das Personalbüro und bat die Sekretärin, sich seinen Lebenslauf in der Akte ansehen zu dürfen, in der die akademischen Errungenschaften der Mitarbeiter verzeichnet waren.
»Ihren eigenen, Dr. Carrier?«
»Ich möchte überprüfen, ob Sie die letzte Fassung haben.« Er hatte einen trockenen Mund und fühlte sich unwohl, hoffte, dass er einen glaubwürdigen Eindruck machte. Hoffte, dass sie sich nicht die Mühe machen würde, seinen Lebenslauf aus dem Lose-Blatt-Ordner
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