Der Pathologe
herauszunehmen, sondern ihm das ganze Buch gäbe.
»Hier, bitte schön, Dr. Carrier.«
Ja!
Er nahm den Ordner mit zu einem Stuhl auf der anderen Seite des Raums, setzte sich hin, blätterte bis zur Herzchirurgie, und als die Sekretärin von einem privaten Telefongespräch in Anspruch genommen wurde, riss er Theodore G. Dirgroves letztes
Curriculum Vitae
heraus, faltete es rasch zusammen und stopfte es in seine Hosentasche.
Er eilte zur nächsten Herrentoilette und schloss sich in einer Kabine ein. Die gefalteten Blätter brannten ein Loch in seine Tasche, und er riss sie heraus.
Theodore
Gerd
Dirgrove. Geboren in Berlin, Deutschland. Am 19. April 1957.
Das passte perfekt in Colin Pughs Chronologie vom Leben des Laser-Schlachters: Heirat mit einer Frau aus der Oberschicht, Geburt eines Kindes, Ende der Fünfzigerjahre.
Dirgrove hatte angeführt, er sei in Baltimore aufgewachsen und habe das College und sein Medizinstudium an einer Eliteuniversität im Osten absolviert. Nicht dieselbe efeubewachsene Zitadelle, wo Norbert Levy Ingenieurwissenschaften und Physik unterrichtet hatte, aber eine, die dieser sehr ähnlich war.
Wissenschaftliche Stipendien, Examen mit Auszeichnung, die üblichen mit Bravour genommenen Hürden.
Der Scheißkerl hatte eine ordentliche Zahl von wissenschaftlichen Referaten in Ärztezeitschriften veröffentlicht. Angela hatte einen Vortrag über Revaskularisation des Herzens erwähnt, und da stand es: eine von Dirgroves Spezialisierungen.
Endomyokardiale Laserendarteriektomie zur Revaskularisation.
Vielleicht war es das, was er Mandel und dem dunkelhäutigen Mann mit Schnurrbart demonstriert hatte. Führte seine Technik vor, stolz auf seine Virtuosität mit dem Instrument, das sein Vater so kreativ eingesetzt hatte.
Eine Humpty-Dumpty-Situation …
Als Jeremy den Lebenslauf überflog, fiel ihm etwas anderes ins Auge.
In den vergangenen sechs Jahren hatte Dirgrove seine Sommer in London verbracht und Bypass-Chirurgie am Kings College of Medicine unterrichtet.
Im Sommer vor sechs Jahren war Bridget Sapsted in Kent entführt und ermordet worden, zwei Stunden mit dem Auto von Londons Innenstadt entfernt, und ihr Skelett war zwei Jahre später gefunden worden, nachdem ihre Freundin Suzie das gleiche Schicksal ereilt hatte.
Während beider Morde war Dirgrove in England gewesen.
Deswegen hatte Jeremys Frage nach chirurgischer Präzision die Aufmerksamkeit von Detective Inspector Nigel Langdon (pens.) erregt. Der zweifellos seinen Nachfolger, Det. Insp. Michael Shreve, angerufen hatte. Und Shreve hatte sich die Zeit genommen, Jeremy zurückzurufen. Nicht um ihn zu informieren, um ihn
auszufragen
. Dann hatte Shreve seinen amerikanischen Kollegen Bob Doresh ausfindig gemacht und von Jeremys Neugier unterrichtet.
Was dazu führte, dass Doresh vor Jeremys Büro auftauchte.
Sowohl Langdon als auch Shreve waren in Oslo gewesen. Ein zufälliges Reiseziel? Oder waren die britischen Ermittler über die Details von Gerd Dergraavs Laufbahn des Grauens im Bilde und sich der Ähnlichkeit mit den Morden in Kent bewusst?
Und nun eine Serie von Morden in Amerika.
Wie viel wusste Doresh? Der Mann machte einen trotteligen Eindruck, aber Jeremy erinnerte sich an seinen ersten Eindruck – an ihn und seinen Partner Hoker. Augen, denen nichts entging.
Aber jetzt entging ihnen eine Menge.
Warum verdächtigen sie immer noch
mich
?
Weil die Bürokratie über Kreativität siegt und Zweckdienlichkeit über Gerechtigkeit.
Es hatte keinen Sinn, sich mit Doresh oder seinesgleichen abzugeben. Trotz allem, was Jeremy wusste – die albtraumhaften Erkenntnisse, deren er sich sicher war –, wäre es zwecklos, den sturen Detective davon zu unterrichten. Schlimmer noch – es würde zusätzlichen Verdacht auf Jeremy werfen.
Tolle Theorie, Doc. Demnach … sind Sie ziemlich interessiert an diesem grässlichen Zeug, wie?
Den Dienstweg einzuhalten würde nicht funktionieren.
Er musste unbehindert sein.
Und das, begriff er mit umwerfender Klarheit, war der springende Punkt. Von Arthurs Korrespondenz und den Botschaften, die der alte Mann direkt und durch seine CCC-Kumpels geschickt hatte.
Das Thema des ganzen späten Abendessens.
Tina Ballerons Empfehlung, dass er nicht das Ziel aus den Augen verlor.
Denk nur an die Australtölpel, die einfach tun, was richtig war.
Schlimme Dinge passierten, und zu oft siegte Zweckdienlichkeit über Gerechtigkeit. Das Gesetz forderte Beweise und die Einhaltung von
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