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Der Pathologe

Der Pathologe

Titel: Der Pathologe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Dergraav.
    Es war das
Datum
, das er bemerken sollte. Ursprung in Oslo.
    Vor siebzehn Jahren hatte sich ein mörderischer Arzt erhängt.
    Laserchirurgie, Selbstmord von Ärzten.
    Oslo, Paris, über Berlin nach Damaskus.
    Gerd Dergraav war in der norwegischen Hauptstadt geboren und ausgebildet worden, hatte Gynäkologie in Frankreich studiert und sich in Berlin niedergelassen, dort gefoltert und gemordet.
    War nach Damaskus geflohen.
    Arthur und seine Gefolgsleute hatten die blutige Bahn des Laser-Schlachters verfolgt.
    Wie lange noch, bis eine Ansichtskarte aus Rio mit der Post eintraf?
    Ein hübsches Bild des Zuckerhuts oder des weißen Strands von Ipanema oder ein anderes brasilianisches Panorama?
      
Lieber Dr. C …
    Auf jeder Reise lerne ich dazu.
    Die Karten hatten das Raster gebildet; die Artikel hatten die Leerstellen ausgefüllt. Laserchirurgie an den Augen, weil Dergraav als Ophthalmologe begonnen hatte, bevor er zur Otolaryngologie übergewechselt war, der Quelle der Umschläge.
    Laser für Operationen an Frauen passte zu Dergraavs letztem Berufswechsel: Frauenarzt. Frauenmörder.
    Wo kamen die jungen englischen Frauen ins Bild? Dergraav war zur Zeit ihrer Ermordung bereits lange tot.
    Warum wurde all diese Aufmerksamkeit jemandem gezollt, dessen Asche sich vor siebzehn Jahren in einem warmen, einladenden Ozean aufgelöst hatte?
    Dann musste er an den Abend denken, den er mit Arthur zusammen in der Bar verbracht hatte. Das Gespräch unter Kollegen im Excelsior, bei dem der alte Mann ihm diese offenbar sinnlose Geschichte erzählt hatte. Räuberische Insekten, die sich unter die Haut ihrer Opfer bohrten, um dort ihren parasitären Nachwuchs abzulegen.
    Die Moral der Geschichte hatte er selbst beigesteuert.
    Sünden der Väter.
    Arthurs Lieblingsthema: die Wurzeln extrem schlimmen Verhaltens.
    Als Gerd Dergraav aus Deutschland geflohen war, war seine Frau in die Staaten gekommen, hatte ihren Namen geändert und war in der großen amerikanischen Freiheit verschwunden.
    Zusammen mit ihrem Sohn.
    Dergraav.
    Dirgrove.
    Arthur hatte es für ihn zurechtgelegt. Wollte, dass Jeremy
begriff
.
    Der Sohn war hier.
    Jetzt wusste Jeremy, dass sein ursprünglicher Instinkt richtig gewesen war: An jenem Tag im Speisesaal hatte Arthur tatsächlich Dirgrove studiert.
    Und Dirgrove hatte seit einiger Zeit Jeremy studiert. Hatte ihn beobachtet, war ihm gefolgt. Nicht nur ihm, auch Angela. So ein einfühlsamer Bursche, immer zur Stelle, um einer wissbegierigen Assistenzärztin zuzuhören. Ohne Zweifel liebten ihn seine Patienten – ein netter Fall von erblichem Charme. Merilee Saunders Mutter war Feuer und Flamme gewesen, aber Merilee war nicht von ihm eingenommen.
    Der irre Dirgrove. Robotermäßig.
    Mittlerweile war Merilee tot.
    Hatte der Einfühlsame Ted in seinem Sprechzimmer eine Kamera versteckt? Die moderne Technik machte das so viel leichter als zur Zeit seines Vaters, als alles noch nicht miniaturisiert und computerisiert war.
    Die Tochter loswerden, die Mutter einfangen.
    Der Fang war die
Hauptsache
 – Dirgrove hatte Angela ins Visier genommen, weil sie sich bereits mit einem anderen Mann traf.
    Genauso, wie Affen Kolonien anderer Affen überfielen, die Männchen töteten und sich mit den Weibchen davonmachten, machten manche Menschen das Gleiche unter dem Deckmantel des Krieges, der Religion – oder welches Dogma auch immer gerade zur Hand war.
    Manche Menschen brauchten keinen Vorwand.
    Eine Übelkeit erregende Erkenntnis traf Jeremy wie ein Faustschlag.
    Der Einfühlsame Ted und Jocelyn.
    Den Mörder seiner Liebsten mit einem Gesicht zu versehen, erfüllte Jeremy mit Grauen, und plötzlich war er genauso fertig und bis ins Mark getroffen wie an dem Tag, als er von dem Mord erfahren hatte. Ein roter Film legte sich vor seine Augen, und er verlor das Gleichgewicht, hatte Schwierigkeiten, auf den Beinen zu bleiben.
    Er ging zum Fenster und riss es auf, um schale Luft aus dem Lichtschacht hereinzulassen. Stand da, hörte das Knattern eines Generators, Wortfetzen, den Wind. Sein Herz überschlug sich, sein Atem ging schwer. Er schluckte den Schrei hinunter.
    Jocelyn, die ihm genommen worden war.
Seinet
wegen.
    Und jetzt hatte Dirgrove Angela ins Visier genommen.
    Er zwang sich dazu, ruhig zu bleiben. Dachte es durch, während er immer noch in den Lichtschacht starrte.
    Töten und Zerlegen war ein spätes Mahl für ein Ungeheuer. Eine nette junge Frau wie Jocelyn als Hauptgang, Straßenmädchen als kleiner Imbiss

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