Der Patient
wogen das Für und Wider von Revolvern gegenüber Automatikwaffen ab, von Größe gegen Durchschlagskraft, Treffsicherheit gegen Feuergeschwindigkeit. Im Kellergeschoss verfügte der Laden über einen Schießstand mit zwei schmalen Bahnen, die vage an dunkle, verlassene Bowlingbahnen erinnerten. Ein elektrischer Flaschenzug bewegte Kopfscheiben in Richtung einer etwa fünfzehn Meter entfernten Wand, die mit braunen, sägemehlgefüllten Säcken gepuffert war. Der Verkäufer zeigte Ricky, der in seinem ganzen Leben noch keine Waffe abgefeuert hatte, wie er den Lauf auszurichten hatte, wie er richtig stand, die Waffe mit beiden Händen hielt und dann sein Ziel so anvisierte, dass er den Rest der Welt aus dem Auge verlor, bis nur noch das Zielobjekt, der Druck des Fingers am Abzug und sein Augenmaß zählten. Ricky feuerte Dutzende Ladungen ab und probierte alles aus, von einer kleinen Automatik, Kaliber 22, über eine 9-mm-Magnum, wie sie die Polizei vorzugsweise im Einsatz hatte, bis hin zur Kaliber-45-Kategorie, die sich im Zweiten Weltkrieg großer Beliebtheit erfreut hatte und ihm beim Abfeuern über die Handfläche in den Arm, die Schulter bis in die Brust hinunter einen Stoß versetzte.
Schließlich entschied er sich für etwas dazwischen, eine Ruger Halbautomatik mit einem Fünfzehn-Schuss-Magazin. Es handelte sich dabei um eine Waffe, die irgendwo zwischen den Ballerkanonen der Polizei und den heimtückischen kleinen Meuchelmordwaffen angesiedelt war, wie sie Frauen und Berufskiller liebten. Ricky wählte dieselbe Waffe, die er im Zug nach Manhattan in Merlins Aktenköfferchen gesehen hatte, eine Begebenheit, die ihm jetzt Lichtjahre entrückt zu sein schien. Er hielt es für eine gute Idee, auf gleicher Augenhöhezu sein, und sei es auch nur hinsichtlich der Handfeuerwaffen. Er füllte die Zulassungsformulare unter dem Namen Frederick Lazarus aus und brachte die Sozialversicherungsnummer zum Einsatz, die er genau zu diesem Zweck erfunden hatte.
»Braucht ein paar Tage«, sagte der dicke Verkäufer. »Auch wenn’s bei uns viel schneller als in Massachusetts geht. Wie wollen Sie zahlen?«
»In bar«, erwiderte Ricky.
»Ein bisschen antiquiert«, sagte der Mann und lächelte.
»Nicht mit Karte?«
»Karten machen das Leben nur unnötig kompliziert.«
»Eine Ruger vereinfacht es.«
Ricky nickte. »Genau darum geht es ja, nicht wahr?«
Der Verkäufer nickte, als er mit dem Papierkram fertig war. »Jemand Besonderes im Auge, wenn’s ums Vereinfachen geht, Mr. Lazarus?«
»Das ist aber eine ungewöhnliche Frage«, erwiderte Ricky.
»Oder seh ich vielleicht wie ein Mann aus, dem der Chef das Leben zur Hölle macht? Oder dessen Nachbar seinen Köter einmal zu häufig auf meinen Rasen gelassen hat? Oder wie einer, an dem die Frau einmal zu oft herumgenörgelt hat?«
»Nee«, sagte der Verkäufer und grinste. »Tun Sie nicht. Andererseits haben wir es hier nicht allzu oft mit Leuten zu tun, die zum ersten Mal eine Handfeuerwaffe kaufen. Die meisten unserer Kunden kommen ziemlich regelmäßig, und man kennt sich zumindest vom Sehen, wenn auch vielleicht nicht mit Namen.« Er betrachtete das Formular. »Alles korrekt damit, Mr. Lazarus?«
»Ja, natürlich, wieso nicht?«
»Is ja die Frage. Ich hasse diesen bürokratischen Mist.«
»Vorschrift ist Vorschrift«, antwortete Ricky.
Der Mann nickte. »Können Sie laut sagen.«
»Wie sieht’s mit dem Üben aus?«, fragte Ricky. »Ich meine, was nützt mir die schönste Waffe, wenn ich nicht wirklich gut damit umgehen kann?«
Der Mann nickte. »Da liegen Sie hundert Prozent richtig, Mr. Lazarus. Gibt zu viele, die denken, sie brauchen nur ’ne Knarre zu kaufen, und schon sind sie sicher. Verflucht noch mal, damit fängt’s doch erst an. Man muss doch wissen, wie man das Ding bedient, besonders, wenn es, sagen wir mal, eng wird, wenn plötzlich ein Einbrecher in der Küche steht und Sie sind oben im Schlafzimmer, im Pyjama …«
»Genau«, unterbrach ihn Ricky. »Man will die Hose ja nicht so voll haben …«
»Dass man am Ende die Gattin oder den Hund oder die Katze abknallt«, fuhr der Verkäufer fort. Dann lachte er. »Auch wenn das manchmal gar nicht das Verkehrteste wäre. Wenn Sie mit meiner Alten verheiratet wären, würden Sie den Einbrecher hinterher auf’n Bier einladen. Und dann ihre verfluchte Katze, von der ich ständig niesen muss.«
»Also, was ist mit dem Schießstand?«
»Während der Öffnungszeiten können Sie ihn jederzeit benutzen,
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