Der Patient
seiner rechten Hand.
»Nicht ganz so groß wie Ihre, Ricky, oder?« Der Arzt lachte lauthals. »Aber wahrscheinlich genauso wirksam. Sehen Sie, dass Sie gerade einen Fehler gemacht haben, der keinem der drei Menschen unterlaufen wäre, von denen wir gerade reden? Und ganz gewiss nicht dem Mann, den Sie als Rumpelstilzchen kennen. Der hätte nie die Augen von seiner Zielperson gelassen. Nicht eine Sekunde. Egal, wie gut er den Betreffenden kennt, hätte er nicht für einen Wimpernschlag weggesehen. Das sollte Ihnen vielleicht klar machen, wie gering Ihre Chancen sind.« Die beiden Männer sahen sich, die Waffen aufeinander gerichtet, über den Tisch hinweg an.
Ricky kniff die Augen zusammen und merkte, wie ihm der Schweiß in den Achseln ausbrach.
»Das hier«, flüsterte Dr. Lewis, »ist eine analytische Phantasie, nicht wahr? Wollen wir bei der Übertragung nicht den Psychoanalytiker am liebsten umbringen, so wie wir unsere Mutter oder unseren Vater oder sonst all die Menschen umbringen wollen, die all das symbolisieren, was in unserem Leben schief gelaufen ist? Und ist nicht der Analytiker seinerseitsvon einer mörderischen Leidenschaft beseelt, die er ebenso ausleben möchte?«
Ricky antwortete nicht sofort, dann murmelte er: »Das Kind mag ein Versuchskaninchen für das Böse gewesen sein, wie Sie sagen. Aber man hätte ihn umkrempeln können.
Sie
hätten das tun können, haben Sie aber nicht, richtig? Es ist ja so viel faszinierender zu sehen, was passieren wird, wenn Sie ihn in einem emotionalen Vakuum belassen, nicht wahr? Und dabei war es weitaus leichter für Sie, dafür all das Schlechte in der Welt verantwortlich zu machen und Ihre eigene Schlechtigkeit zu übersehen, hab ich Recht?«
Dr. Lewis erbleichte ein wenig.
»Sie wussten es, nicht wahr?«, fuhr Ricky fort. »Dass Sie genau so ein Psychopath waren wie er? Sie wollten einen Killer, also fanden Sie einen, der das war, was Sie sein wollten: ein Killer.«
Der alte Mann runzelte die Stirn. »Sie hatten schon immer einen scharfen Verstand, Ricky. Was hätten Sie aus Ihrem Leben machen können, wenn Sie nur ein bisschen mehr Ehrgeiz an den Tag gelegt hätten. Ein bisschen raffinierter gewesen wären.«
»Nehmen Sie die Waffe runter, Sie werden mich nicht erschießen«, sagte Ricky.
Dr. Lewis zielte weiter auf Rickys Gesicht, nickte aber. »Muss ich auch gar nicht, oder?«, sagte er. »Der Mann, der Sie einmal getötet hat, der wird es auch ein zweites Mal tun. Und diesmal wird er sich nicht mit einem Nachruf in der Zeitung abspeisen lassen. Ich denke, er wird Ihren Tod direkt vor Augen haben wollen. Meinen Sie nicht auch?«
»Da habe ich auch noch ein Wörtchen mitzureden. Und vielleicht werde ich, sobald ich erst einmal diese großartigen Hinweise gefunden habe, die, wie Sie sagen, hier irgendwo sind,einfach wieder verschwinden. Es ist mir einmal gelungen, mich in Luft aufzulösen, und ich bin zuversichtlich, dass ich es auch ein zweites Mal kann. Vielleicht wird Rumpelstilzchen sich einfach mit dem zufrieden geben müssen, was er in der ersten Runde geschafft hat. Dr. Starks ist mausetot. Da war er klar in Führung. Aber ich werde mich immer wieder in jemand Neues verwandeln. Ich kann gewinnen, indem ich davonrenne. Ich kann gewinnen, indem ich mich verstecke. Indem ich anonym am Leben bleibe. Ist das nicht seltsam, Dr. Lewis? Wir, die wir alles darangesetzt haben, uns und unsere Patienten mit den Plagegeistern zu konfrontieren, die sie verfolgen und quälen, können uns selbst retten, indem wir fliehen. Wir haben Patienten geholfen, etwas zu werden, aber ich gewinne nichts, wenn ich was werde. Welche Ironie, meinen Sie nicht?«
Dr. Lewis nickte. »Ich habe diese Antwort erwartet«, sagte er langsam. »Ich dachte mir, dass Sie die Antwort sehen würden, die Sie mir gerade gegeben haben.«
»Dann noch mal«, sagte Ricky, »nehmen Sie die Waffe runter, und ich verabschiede mich. Vorausgesetzt, die Informationen befinden sich in diesem Umschlag.«
»Gewissermaßen ja«, sagte der alte Mann. Er flüsterte mit einem hässlichen Lächeln. »Allerdings habe ich noch ein, zwei letzte Fragen für Sie, Ricky … falls Sie nichts dagegen haben.« Ricky nickte.
»Ich habe Ihnen von der Vergangenheit des Mannes erzählt. Und Ihnen weit mehr verraten, als Sie bis jetzt begreifen. Und was habe ich Ihnen über seine Beziehung zu mir erzählt?«
»Sie haben von einer Art eigentümlicher Loyalität und Liebe gesprochen.«
»Die Liebe eines Killers zu
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