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Der Patient

Titel: Der Patient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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SEC, die nationale Aufsichtsbehörde für den Finanz- und Wirtschaftssektor, einschalten, da es sich hier nach allem, was Sie sagen, um eine Form von Diebstahl handelt.«
    »Wie lange?«
    »Es ist Ferienzeit, ein Teil unserer Mitarbeiter ist im Urlaub. Ich glaube, nicht mehr als ein paar Wochen. Höchstens.« Ricky legte den Hörer auf. Ihm blieben keine paar Wochen.
     
    Unter dem Strich, so ermittelte er, hatte er noch ein einziges Konto, das nicht von einem Unbefugten geplündert und leer geräumt war – das kleine Girokonto, das er bei der First Cape Bank draußen in Wellfleet unterhielt. Dieses Konto hatte ernur für die Sommerferien eingerichtet. Es waren kaum zehntausend Dollar darauf, Geld, mit dem er auf dem örtlichen Fischmarkt oder im Lebensmittelladen, in der Spirituosenhandlung oder im Haushaltswarenladen bezahlte. Davon bestritt er seine Gartengeräte, Pflanzen und Samen; es vereinfachte ihm die Ferienaufenthalte. Eine Art Haushaltskasse für den Urlaubsmonat in seinem Feriendomizil.
    Er war schon fast erstaunt, dass sich Rumpelstilzchen nicht auch diesen Posten unter den Nagel gerissen hatte. Er fühlte sich wie die Maus in den Krallen der Katze, als ließe der Mann ihm diesen Batzen nur, um mit ihm zu spielen. Nichtsdestoweniger überlegte Ricky, wie er die Summe in die Hände bekommen konnte, bevor auch sie in irgendeinem bizarren finanziellen Dickicht verschwand. Er rief den Manager der First Cape an und erklärte ihm, er müsse das Konto schließen und brauche den Saldo in bar.
    Der Filialleiter ließ ihn wissen, dass er für die Transaktion persönlich vorbeikommen müsse, wogegen Ricky nichts einzuwenden hatte. Vielmehr hätte er sich gewünscht, das eine oder andere seiner Geldinstitute wäre so vorgegangen. Er erklärte dem Direktor, es habe Ärger mit anderen Konten gegeben und es sei daher wichtig, dass niemand außer ihm persönlich Zugang zu dem Guthaben bekäme. Der Mann erbot sich, ihm in der Höhe des Betrags einen Bankscheck auszustellen, den er persönlich bis zu Rickys Ankunft für ihn bereit halten würde.
    Das Problem war nur, wie er das Geld holen sollte.
    In seinem Schreibtisch lag immer noch ein Flugticket von La Guardia nach Hyannis. Er fragte sich, ob die Reservierung noch galt. Er öffnete seine Brieftasche und zählte etwa dreihundert Dollar in bar. In der obersten Schublade in der Schlafzimmerkommode hatte er noch einmal tausendfünfhundertin Travellerschecks. Welch ein Anachronismus; in einer Zeit, in der es an jeder Straßenecke Geldautomaten gab, war der Gedanke, sich einen Notgroschen in Form von Travellerschecks zurückzulegen, ziemlich verschroben. Es bereitete Ricky eine gewisse Genugtuung, dass seine altmodischen Gewohnheiten sich als hilfreich erwiesen. Für einen Moment überlegte er, ob er das Prinzip nicht viel konsequenter verfolgen sollte.
    Doch er hatte nicht die Zeit, mehr Gedanken daran zu verschwenden.
    Er konnte zum Cape und auch wieder zurück. Es würde ihn mindestens vierundzwanzig Stunden kosten. Doch im selben Moment überfiel ihn urplötzlich ein lähmendes Gefühl der Lethargie, fast als könne er seine Muskeln nicht bewegen, als wären die Synapsen in seinem Gehirn, die allem Gewebe in seinem Körper Befehle erteilten, schlagartig in Streik getreten. Eine düstere Erschöpfung, die seinem Alter spottete, legte ihn lahm. Er fühlte sich nur noch dumpf und benommen.
    Ricky sackte gegen die Lehne und starrte an die Decke. Er erkannte die Warnzeichen einer klinischen Depression so schnell, wie eine Mutter die aufkommende Erkältung beim ersten Niesen ihres Kindes registriert. Er hielt die Hände vor sich ausgestreckt und prüfte, ob sie zitterten oder sich taub anfühlten. Ohne Befund. Fragte sich nur, wie lange noch.

11
     
    Am folgenden Morgen bekam Ricky eine Antwort in der
Times
, wenn auch nicht so, wie er erwartet hatte. Seine Zeitung wurde ihm jeden Tag vor die Tür gelegt, bis auf sonntags, wo er – wie Rumpelstilzchen in seinem Drohbrief so treffend angemerkt hatte – lieber ins nahegelegene Feinkostgeschäft lief und sich dort die Zeitung besorgte, bevor er das nicht weit entfernte Café ansteuerte. In der zurückliegenden Nacht hatte er noch schlechter geschlafen, und so war er hellwach, als er den leisen, dumpfen Aufschlag der Zeitung vor seiner Wohnungstür hörte. Binnen Sekunden hielt er das Blatt in der Hand und knallte es in voller Länge auf den Küchentisch. Automatisch wanderte sein Blick zu den Kleinanzeigen unten auf der

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