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Der Pestengel von Freiburg

Der Pestengel von Freiburg

Titel: Der Pestengel von Freiburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Woche.»
    «Nein, nein, eine Frau gehört an die Seite ihres Mannes. Wir werden heut noch alle miteinander in die Stadt zurückkehren.»
    «Aber begreifst du denn nicht?» Benedikt sah sie vorwurfsvoll an. «Das große Sterben hat längst angefangen. Willst du die Kinder in den Tod führen? Ihr bleibt hier!»
    Seine Stimme war laut und hart geworden. Clara betrachtete ihn verwundert. Wie unsagbar erwachsen Benedikt mit einem Mal wirkte.
    «Entschuldige.» Sie griff sich an die Schläfen, die schmerzhaft zu pochen begannen. «Du hast recht, Benedikt, du hast recht.»
    «Glaub mir, Mutter. Eigentlich hatte ich euch heute nach Hause holen wollen. Aber es ist anders gekommen.»
    Clara nickte nur. Im Grunde ihres Herzens hatte sie es geahnt.
     
    Wenig später kehrte Benedikt vom Bach zurück, wo er sich erfrischt und seinen Durst gelöscht hatte. Ausgelassen und voller Erwartung tanzten die Kinder um ihn herum.
    «Kriegen wir jetzt unser Geschenk?», fragten Michel und Kathrin gleichzeitig.
    «Erst, wenn mir jeder von euch erzählt hat, was sich hier so alles zugetragen hat. Sag mal», wandte er sich an Johanna, «warum hat euch Mutter eigentlich in die Hütte gesperrt, als ich kam?»
    «Da waren gestern zwei Fremde hier oben, mit einem alten blinden Mann.» Auf Johannas Wangen zeichneten sich rötliche Flecken ab, wie immer, wenn sie aufgewühlt war. «Die waren seltsam, ein wenig dreist auch. Sie haben gesagt, dass sie vielleicht wiederkommen. Deshalb sind wir in der Hütte geblieben.»
    Und deshalb hatte seine Mutter ihn mit Beil und Hund bewehrt empfangen, dachte Benedikt. Er runzelte die Stirn. Sein Vater machte sich etwas vor, wenn er glaubte, Clara und dieser zottige Hund könnten irgendwelche Wegelagerer in die Flucht schlagen. Und die Gefahr wuchs, je länger sie hier allein blieben.
    Ihre Hütte lag zwar nicht weit von der Stadt, und von der nächsten Lichtung aus konnte man sogar die Kirchturmspitze des Dörfchens Ebnot sehen – gleichwohl würde ihnen hier kein Mensch zu Hilfe kommen, wenn etwas Schlimmes geschah. Wohl waren sie nicht die Einzigen, die im Wald einen Jauchart Holz gepachtet hatten. Doch die Freiburger Bader, die das Holz zum Heizen der Badstuben brauchten, hatten ihre Parzellen dicht bei der Stadt, im Herdermer Wald oder nahe der Oberau. Hier im Ottilienwald waren sie die Einzigen, was daran lag, dass der Urgroßvater sein Badhaus einst in Ebnot betrieben hatte.
    Er schalt sich einen Dummkopf, dass er so vorschnell die Aufsicht über die Baustelle angenommen hatte. Hätte er als Ältester nicht die Pflicht gehabt, seine Familie zu schützen? Jetzt aber gab es kein Zurück mehr, er hatte dem Meister sein Wort gegeben.
    Ganz plötzlich kam ihm in den Sinn, wer als Beschützer in Frage kam. Als Aufseher war ihm schließlich anheimgestellt, wie und wo er die wenigen verbliebenen Werkleute einsetzte. Auch wenn er ihn an seiner Seite vermissen würde – für seinen Freund Daniel wäre es hier oben gerade das Richtige. Der alte Geselle hatte noch immer eine beeindruckende Statur und konnte mit Schwert und Armbrust umgehen wie kaum ein anderer.
    Als sie alle zusammen zur Feuerstelle zurückkehrten, war seine Mutter gerade dabei, einen Gemüsebrei zu kochen.
    «Habt ihr schon Hunger?», fragte sie ihre Kinder. Sie schien wieder zu ihrer alten Gelassenheit zurückgefunden zu haben.
    «Ja», rief Michel. Sein Gesicht strahlte wie seit Tagen nicht mehr. «Aber erst will ich wissen, was Benedikt uns mitgebracht hat.»
    «Will – will – wer will, kriegt gar nichts», wies seine Mutter ihn zurecht.
    «Also gut, gebt acht.» Benedikt lachte. «Ich hab euch unsre Ziegen mitgebracht, ein Säckchen Mehl, getrocknete Äpfel, Zwiebeln und Rüben, zwei Wurstringe   …»
    «Wurst!», jubelte die kleine Kathrin, während Michel zu maulen begann: «Nein, ich mein doch das Geschenk für uns.»
    Benedikt trat an die inzwischen halbleere Trage, die an der Hüttenwand lehnte, und zog fünf rot und weiß geringelte Zuckerstangen hervor.
    Den Kindern blieb der Mund offen stehen. Gab es doch so etwas Köstliches sonst nur zu ganz besonderen Gelegenheiten.
    Benedikt verteilte die Leckereien. «Aber erst nach dem Essen, verstanden?»
    Es wurde noch ein schöner Tag, dort oben im kühlen,schattigen Wald. Benedikt begleitete seine Geschwister und seine Mutter hinauf zur Kapelle, baute mit den Knaben einen Staudamm am Bach und tobte mit dem Hund, der sich als verspielter, gutmütiger Kerl erwies, auf der Lichtung herum.

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