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Der Pestengel von Freiburg

Der Pestengel von Freiburg

Titel: Der Pestengel von Freiburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Als es an den Abschied ging, wurde ihm das Herz schwer. Zumal er den ganzen Tag vergebens versucht hatte, seiner Mutter unter vier Augen zu begegnen. Er hatte in den letzten Tagen viel über die Worte seines Vaters nachgedacht und wollte seiner Mutter gern sagen, wie unrecht er ihr in seinem Zorn getan hatte. Aber bis jetzt hatte sich keine Gelegenheit ergeben.
    «Nächsten Sonntag komme ich wieder.» Er schulterte seine leere Rückentrage. «Und morgen früh schicke ich meinen Freund Daniel zu euch herauf. Dann habt ihr jemanden, der euch unliebsame Besucher vom Hals hält.»
    «Was soll das, Junge?» Seine Mutter schüttelte den Kopf. «Wir brauchen keinen Leibwächter. Und überhaupt – wo soll er schlafen? In der Hütte ist kein Platz.»
    «Wenn man das alte Holz von der Seitenwand wegräumt, ist sehr wohl noch Platz.»
    «Nein, das ist nicht schicklich. Ich bin eine verheiratete Frau.»
    «Mutter! Erstens lege ich für Daniel die Hand ins Feuer, und zweitens fragt hier im Wald kein Mensch danach, was ehrenhaft ist oder nicht. Johanna hat mir von den fremden Männern erzählt, und sie hat recht mit ihrer Sorge. Ich bin sicher, dass auch Vater das gutheißt.»
    «Bitte!» Johanna fasste ihre Mutter beim Arm. «Mir wär viel wohler, wenn Daniel hier wäre.»
    «Also gut. Aber nur, wenn euer Vater einverstanden ist.»
    Benedikt nickte. «Das wird er. – Begleitest du mich noch ein Stück? Bis zur nächsten Wegkreuzung?»
    «Ja.» Die Augen seiner Mutter leuchteten. «Komm, Cerberus.»
    Sie hatten bereits die Gabelung, von der der Weg ins Tal hinunter abzweigte, erreicht, als Benedikt noch nach den richtigen Worten suchte.
    «Alsdann – passt gut auf euch auf», sagte er.
    «Gott schütze dich, mein Sohn. Ich bete jeden Tag für dich und deinen Vater. Und auch», fügte sie leise hinzu, «für Esther und ihre Familie.»
    Einen Moment lang hielt Benedikt inne. «Ich wollte dir noch was sagen, Mutter. – Bitte verzeih mir.»
    «Wofür?»
    «Vater hat mir erzählt, was du alles für die Grünbaums getan hast. Nicht nur, dass du die beiden Kleinen zu dir genommen hast. Auch das mit Esther und ihrer Flucht aus dem Gefängnis.»
    Als seine Mutter schwieg, fuhr er fort: «Ihr hattet recht. Esther und ich wären niemals zusammengekommen, das weiß ich jetzt. Aber es tut so weh, wenn man jemanden liebt und nicht lieben darf. Und wenn dann die Frau, für die man das eigene Leben lassen würde, sterben muss   …» Seine restlichen Worte gingen in Schluchzen über.
    «Ich weiß doch, Benedikt, ich weiß», flüsterte sie. Sachte strich sie ihm übers Haar.
    Da warf er sich ihr in die Arme, ungeachtet der Anweisung seines Vaters, niemandem zu nahe zu kommen, und presste sich an sie wie einst als kleines Kind, wenn er ihren Trost gesucht hatte.
    «Mein armer Junge», hörte er sie murmeln. Festumschlossen hielt sie ihn, er spürte ihren Herzschlag, roch den Duft nach Moos und frischem Harz an ihrer Kleidung.
    Nach und nach beruhigte er sich.
    «Manchmal, nach dem Gebet, höre ich ihre Stimme», sagte er leise, wie zu sich selbst, und löste sich aus ihrer Umarmung. «Dann spricht sie zu mir. Manchmal sehe ich sie sogar. Meist lächelt sie, als ob sie mich trösten will. Oder aber sie weint still vor sich hin. Das ist dann ganz furchtbar.» Er starrte seine Mutter an. «Heißt das, dass ihre Seele keine Ruhe finden kann? Ist es wirklich so, dass sie als Jüdin auf ewig verdammt ist, wie es uns die Kirche weismacht?»
    «Nein, Benedikt. Jeder Mensch kann Gnade vor Gott finden. Weil wir nämlich alle seine Kinder sind. Dass die Verstorbenen in Träumen oder Visionen erscheinen, geschieht vielen Menschen. Vielleicht ist es eine Art von Abschiednehmen. Irgendwann wird das vorüber sein.»
    Benedikt schüttelte den Kopf. «Es geht nicht vorüber. Es wird immer mehr, und ich sehe und höre sie immer deutlicher. Es ist grad so, als sei sie gar nicht tot.»

Kapitel 22
    B enedikt trat aus der Werkstatt und schloss das Tor hinter sich. Unter dem tiefen, hellgrauen Himmel lag die Baustelle menschenleer und aufgeräumt wie sonst nur im Winter. Nach der Versammlung am vergangenen Samstag hatten die meisten Werkleute die Stadt noch am selben Tag nahezu fluchtartig verlassen, hatten nicht einmal Bittgottesdienst und Abschiedsumtrunk abgewartet.
    Meister Johannes von Gmünd war deswegen sogleich vor die obersten Herren der Kirchfabrik zitiert worden und musste ihren Zorn über sich ergehen lassen. Mit scharfen Worten hatte erst der

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