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Der Pestengel von Freiburg

Der Pestengel von Freiburg

Titel: Der Pestengel von Freiburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Leintuch umhüllt war, in die Krankenstube schickte, wartete er in der Eingangshalle, die zuvor gut gelüftet sein musste. Von den Angehörigen oder Dienern ließ er sich das Krankheitsbild beschreiben, um hernach den Urin zu beschauen. Das Glas hielt er dabei mit dicken Handschuhen umschlossen. War es doch einmal unumgänglich, den Puls zu fühlen, so tat er dies mit abgewandtem Gesicht und in Begleitung eines Fackelträgers, damit der Qualm eine Schutzschicht gegen die Miasmen bilden konnte.
    Am liebsten würde er gar nicht mehr behandeln, schließlich warfen der Mietzins für sein schönes Haus am Fischmarkt undder Lohn als gräflicher Leibarzt genug ab. Doch da er noch immer das Amt des Stadtarztes innehatte, durfte er sich nicht gänzlich verweigern.
    Behaimer warf einen verstohlenen Blick auf den alten Grafen, der ihm am anderen Ende der Tafel gegenübersaß. Seit einiger Zeit pflegten sie beide gemeinsam die kleine Zwischenmahlzeit zu Mittag einzunehmen, fern der gräflichen Familie und seiner Berater.
    Jetzt schien auch Graf Cunrat das Totengeläut gehört zu haben. Er legte das Messer beiseite und verzog das hagere Gesicht.
    «Schon wieder ein Todesfall unten in der Stadt.»
    «Sorgt Euch nicht, lieber Graf. Die Feuerpfannen vor den Gemächern und rund um den Palas halten den Pesthauch von uns ab.» Behaimer verlieh seiner Stimme einen betont munteren Klang. «Schließlich hat der Papst auf diese Weise mitten im verpesteten Avignon die Seuche überlebt.»
    In Wirklichkeit hatte er diesbezüglich ein ausgesprochen unbehagliches Gefühl. Zwar glaubte inzwischen, nachdem die Juden als Sündenböcke tot waren, selbst der dümmste Kloakenkehrer an die Vorstellung von Pesthauch und Giftwolke. Er selbst hingegen begann daran zu zweifeln. Vor allem aber hatte er die Gefahr unterschätzt: Sogar das hohe Alpengebirge war von den giftigen Dünsten überwunden worden, und der Rheinstrom war nicht nur kein Hindernis gewesen, sondern hatte die Verbreitung von Süd nach Nord nur noch beschleunigt.
    «Nun – der Heilige Vater verfügt vielleicht über die bessere Verbindung zu unserem Herrgott», murmelte der Graf. Die Angst stand ihm ins Gesicht geschrieben.
    «Ach was. Ihr wisst doch: Man soll von der Pest weder sprechen noch an sie denken, da allein die Angst vor der Seucheund das Reden hiervon krank machen können. Halten wir uns lieber an die Empfehlung des großen Galenus. Zum Ausgleich der Temperamente, als wirkungsvollste Prophylaxe gegen jederlei Krankheit, möge man lachen, scherzen und gesellig feiern.»
    «Und schlemmen und saufen! Recht hast du.» Der Graf bedeutete dem Mundschenk, ihnen die hübsch ziselierten Zinnbecher mit Wein aufzufüllen. «Sofern ein rechter Genuss bei deinen strengen Speisevorschriften überhaupt möglich ist.»
    Er grapschte mit seinen fettigen Fingern nach einem weiteren Senf-Ei – das fünfte schon, wie Behaimer mit Stirnrunzeln bemerkte. An die Hofküche hatte er, kraft seiner Autorität als gräflicher Leibarzt, die strikte Order gegeben, der Seuchengefahr wegen kein blutiges Fleisch mehr auszugeben, desgleichen keinen Fisch und keine Früchte, die schnell faulen konnten. Stattdessen mehr trockenes Huhn und Ei, in Wein getunktes Herrenbrot und Süßigkeiten. Dazu musste alles gut gezuckert oder stark gewürzt werden, vorzugsweise mit Ingwer und Gewürznelken, oder mittels Campher stark riechen. Anfangs hatte der Alte lautstark dagegen protestiert, dass ihm sein zweitliebster Zeitvertreib so verleidet würde, doch bald schon hatte er sich an die neue Kost gewöhnt.
    «Allzu sehr darben müsst Ihr nicht, wenn ich mir die zuhauf gefüllten Essensplatten jeden Mittag ansehe.» Behaimer griff sich die letzte der gebratenen Wachteln. «Von der Speisenfolge am Abend ganz zu schweigen. Habt Ihr denn Euren Theriak heute schon genommen?»
    «Brav wie immer, Doctorlein. Und vom Wacholder- und Lorbeerkauen den ganzen Tag ist mein Maul schon lahm. – Dafür stinke ich wie eine Wildsau», fügte der Alte maulig wie ein kleines Kind hinzu, «seitdem du warme und heiße Waschungen verboten hast.»
    «Aber Ihr bleibt gesund, lieber Graf.» Behaimer lächelte triumphierend. «Oder wollt Ihr, dass die Miasmen durch die erweiterten Poren eindringen?»
    Nun verzog auch der Graf den Mund zu einem breiten Lächeln. «Apropos eindringen – bist du bereit für den Nachtisch?»
    «Wenn Ihr es seid, Graf?»
    «Aber immer doch», kicherte der Alte. Er entkorkte ein unscheinbares dunkles Fläschchen und

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