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Der Pestengel von Freiburg

Der Pestengel von Freiburg

Titel: Der Pestengel von Freiburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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ihnen. Einen Wachhund haben sie auch. Weißt du was, Gevatterin? Ich bring dich zu ihnen, du solltest auch raus aus der Stadt.»
    «Ich muss meinem Mann zur Seite stehen, das hab ich Gott bei unserer Vermählung geschworen. Vielleicht wird er mit deines Vaters Hilfe gesund.»
    Als Benedikt in die Schlafkammer zurückkehrte, lag der Kranke ruhiger als zuvor. Auf der Anrichte neben dem Bett hatte sein Vater die Instrumente ausgebreitet.
    «Stell alles auf dem Boden ab. Ich ruf dich wieder herein, wenn ich fertig bin mit dem Schneiden.»
    «Aber warum? Ich möchte dabei sein.»
    «Geh jetzt! Ich hab keine Zeit zu verlieren.»
    Benedikt gehorchte, wenn auch widerwillig. Er setzte sichim Flur auf den Hocker. Mechthild war in der Küche geblieben. Von unten hörte er Geschirr klappern. Als der Kirchturm zu Mittag schlug, rief sein Vater ihn wieder herein.
    Gottfried Tucher lag nun reglos auf dem Rücken, bis zum Hals in ein sauberes Laken gehüllt. Er schien mit offenen Augen zu schlafen. Der Korb vor der Bettlade war mit schmutzigen Tüchern gefüllt, auf dem Grund des Eimers stand eine widerliche, stinkende, gelbgraue Masse.
    «Ist er tot?»
    «Nein. Trag den Korb in den Hof hinunter, ich bring den Rest. Es muss alles vernichtet werden.»
    Benedikt tat, wie ihm geheißen, und hatte alle Mühe, sich nicht vor Ekel zu übergeben.
    Wenig später fanden sie sich bei Mechthild in der Küche ein.
    «Wird er sterben?», fragte sie leise.
    Sein Vater zuckte die Schultern. «Ich weiß es nicht. Aber du solltest nach dem Priester rufen. Morgen früh will ich wieder nach ihm sehen.»
    «Was kann ich für ihn tun?»
    «Versuche, ihm hin und wieder Wasser einzuflößen. Aber sieh zu, dass du ihn und das Bett nicht berührst. Wenn du die Kammer betrittst, binde dir ein Tuch mit Essig vors Gesicht, genau wie wir. Und hinterher reinigst du dir Gesicht und Hände mit dem Essigwein.»
    Danach verabschiedeten sie sich. Auf der Schwelle nach draußen riss sich Benedikt seine Maske herunter und holte tief Luft. Seine Mundwinkel brannten von der Essigsäure.
    «Ich hätte ihr verbieten sollen, das Krankenzimmer zu betreten.» Sein Vater wirkte mit einem Mal erschöpft. «Aber es hätte nichts genützt.»
    «Warum hab ich nicht dabei sein dürfen, als du die Beulen aufgeschnitten hast? Glaubst du, ich hätte es nicht ausgehalten?»
    «Nein. Aber es wäre zu gefährlich gewesen. Das tödlichste Gift steckt in den Beulen, im Blut und im Eiter. Ein Spritzer davon genügt, und die Seuche hat ein neues Opfer gefunden.»
    Sie überquerten den Markt. Vor der Spitalkirche blieb Benedikt stehen.
    «Ich möchte mehr wissen von dieser Krankheit. Alles, was du weißt», bat er. Auf dem bärtigen, müden Gesicht seines Vaters erschien ein kurzes Lächeln.
    «Jetzt hab ich hierzu keine Zeit. Ich muss noch zu Meister Christoffel, dem Apotheker. Aber warum ziehst du nicht einfach wieder in unser Haus? Es ist ziemlich einsam dort, so ohne deine Mutter und die Kinder. Außerdem – was willst du noch auf deiner verlassenen Baustelle?»
    «Du hast vergessen, dass der Meister mir die Aufsicht übertragen hat.» Für einen kurzen Moment stieg der alte Trotz in ihm hoch, der Ärger darüber, dass sein Vater nie anerkannt hatte, was er tat. «Wenn ich auch nur noch so eine Art Nachtwächter bin», fügte er versöhnlicher hinzu, «der aufpasst, dass keiner was klaut oder beschädigt.»
    Sein Vater schlug ihm auf die Schulter.
    «Du hast recht. Jeder von uns hat seine Pflichten. Aber komm doch wenigstens des Abends zu mir zum Essen. Da haben wir dann Zeit füreinander.»
     
    So oft wie möglich begleitete Benedikt von nun an den Vater bei seinen Krankenbesuchen. Abends beim Essen und oft noch lange danach saßen sie beisammen, und sein Vater beantwortete ihm all seine Fragen. Benedikt hatte bei einem Händlerteures Papier erstanden und war dazu übergegangen, sich alles aufzuschreiben. Er lernte nun, wie man zweierlei Erscheinungsformen der Seuche unterscheiden konnte: Erstere schlug auf die Lunge, die zweite, mit Hautflecken und Beulen, aufs Gehirn. Während erstere in kürzester Zeit unweigerlich zum Tod führte, barg die zweite, so qualvoll sie war, die Möglichkeit der Genesung – so Gott es denn vorgesehen hatte und der giftige Eiter rechtzeitig aus den Beulen nach außen entweichen konnte.
    Inzwischen war Heinrich Grathwohl fest davon überzeugt, dass sich die tödlichen Miasmen keinesfalls in irgendwelchen Giftwolken übers Land verbreiteten, sondern über

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