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Der Pestengel von Freiburg

Der Pestengel von Freiburg

Titel: Der Pestengel von Freiburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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sagen, woher.
    Das Abendlicht ließ das Band der Dreisam rötlich glänzen, im Laub der Uferbäume spielte der Wind. Vielleicht hatte er sich ja getäuscht, denn außer seinem eigenen Atem und dem Rauschen der Blätter und des Flusses war jetzt nichts mehr zu hören.
    Er wollte schon umkehren, als er erst ein helles Kichern, dann Männerstimmen vernahm. Es kam aus Richtung Schießrain, dessen Eingang keine zehn Schritt von ihm entfernt lag. Das Tor neben dem Schützenhäuschen war mit einem Riegel und einer Kette versperrt, doch nun hörte er die Stimmen dahinter ganz deutlich. Sie stammten von zwei Männern und einer jungen Frau.
    So lautlos als möglich schlich Benedikt den Zaun entlang, bis er fand, wonach er gesucht hatte. Zwei lose Bretter boten einen bequemen Durchlass ins Innere des umzäunten Schießplatzes der Armbrust-Schützen. Jetzt hörte er das Mädchen leisejammern, jemand fluchte. Kurz darauf Meinwarts Stimme, in der unterdrückter Zorn schwang: «Blöde Metze – was bist dann überhaupt mitgekommen?» Nach einem Moment der Stille war ein Rascheln zu hören, dann ein lautes Aufheulen, das schnell erstickt wurde.
    Benedikt schlüpfte durch die Lücke. Was sich da seinem Blick unter dem nahen Baum darbot, ließ ihm das Blut in den Adern stocken. Meinwarts Begleiter, in dem Benedikt einen seiner Taglöhner erkannte, hielt die Krämerstochter von hinten umklammert, im Mund des Mädchens steckte ein Stück Tuch. Sie hatte die Augen vor Angst weit aufgerissen. Meinwart selbst stand mit dem Rücken zu ihm, fingerte an seinem Gürtel und riss sich die Beinkleider herunter. «Wollen wir dem Hurenloch doch mal zeigen, was eine echte Rute ist», hörte Benedikt ihn sagen.
    In diesem Augenblick sah er rot. Unter dem Baum stand nicht die Tochter des Leinwandkrämers, sondern Esther, die sich verzweifelt gegen Meinwart zu wehren versuchte. Gegen jenen Mann, der meuchlings den Brunnenstubenwächter erstochen und die Saat gelegt hatte für den Mord an über hundert unschuldigen Menschen. Der ihm das Liebste auf der Welt genommen hatte.
    Mit dem Gebrüll eines wilden Tieres stürzte sich Benedikt auf den Widersacher. Der war nicht gefasst auf diesen Angriff und ging sofort rücklings zu Boden. Schon kniete Benedikt auf ihm, schlug mit der geballten Faust wieder und wieder in das verhasste Gesicht, um endlich den Hals des Gegners mit beiden Händen zu umschlingen und zuzudrücken. Während Meinwart zu würgen und zu röcheln anfing, sah Benedikt aus den Augenwinkeln, wie Meinwarts Spießgeselle die Flucht ergriff. Das Mädchen stand reglos da und starrte ihn an.
    «Du hast das Gift gelegt und den Wächter erstochen», stieß er hervor. «Wegen dir musste Esther sterben!»
    «Lass mich», keuchte der unter ihm, und die Augen traten ihm aus den Höhlen. «Behaimer – sein Auftrag – hat mich bezahlt.»
    Benedikt drückte fester zu.
    «Ich – kann’s – beweisen.» Sein Griff lockerte sich.
    «Ich schwör’s – Behaimer –
sein
Giftbeutel war’s – hab ihn nur versteckt.»
    Benedikt spuckte ihm ins Gesicht. Noch einmal drückte er zu, bis sich der Körper unter ihm nicht mehr wand und bog. Dann zog er mit seiner Rechten das Messer vom Gürtel.
    «Auge um Auge, Zahn um Zahn.»
    Meinwart riss Mund und Augen auf, als Benedikt ihm die Schneide an den Hals legte.
    «Flehe zu Gott, dass er dir verzeiht», zischte er. Der beißende Gestank nach Urin stieg ihm in die Nase. Der Kerl hatte sich tatsächlich vollgepisst.
    Ganz langsam zog Benedikt die Messerschneide über die Haut. In einer Kette kleiner roter Perlen traten die ersten Blutstropfen hervor. Gleich würde er Meinwart Tucher die Kehle durchschneiden und ihm voller Genugtuung beim Ausbluten zusehen, bei seinen letzten Zuckungen im Todeskampf.
    «Tu’s nicht», hörte er eine Mädchenstimme flüstern. Er blickte auf, sah die Krämerstocher, die die Hand vor den Mund hielt und immer noch zu ihm herüberstarrte.
    Nach kurzem Zögern nahm er das Messer von Meinwarts Hals, riss ihm den Kittel auf und versetzte ihm mit sicherer Hand einen kreuzförmigen Schnitt mitten auf die schweißglänzende Brust. Wie mit feinem Pinselstrich gemalt zeichnetesich das rote Kruzifix auf der hellen Haut ab, bis mehr und mehr Blut nachkam und sich mit Schweiß und Schmutz zu einem hässlichen großen Fleck vermischte.
    Benedikt erhob sich. Ihm schwindelte.
    «Nimm das Kreuz als Zeichen der Warnung. Wenn du morgen noch in der Stadt bist, stech ich dich ab wie der Fleischer die Sau.»

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