Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Pestengel von Freiburg

Der Pestengel von Freiburg

Titel: Der Pestengel von Freiburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
Vom Netzwerk:
Er gab Meinwart einen Tritt in die Seite. «Los, steh auf und verschwind.»
    Während Meinwart sich auf die Seite wälzte und wie ein kleines Kind wimmerte, stieß Benedikt ihm die Schuhspitze zwischen die nackten Schenkel, sodass der andere gellend aufschrie.
    «Das war ein Gruß von dem Mädchen hier, du Scheißhaufen. Vergiss nicht, sie hat dein Geständnis mit angehört.»
    Benedikt musste den Blick abwenden, so sehr ekelte ihn vor diesem gekrümmten Leib. Dann trat er zu der Krämerstochter, der die Tränen übers Gesicht liefen.
    «Alles ist gut. Komm, ich bring dich in die Stadt zurück.»
    Sie nickte.
    «Ach ja – und danke auch, dass du mich abgehalten hast, ihn umzubringen. Der Schelm ist’s nicht wert, dass man eine Todsünde begeht.»
    «Wovon redest du?», stammelte sie. «Meinetwegen hättest du ihm den Kopf abschneiden können.»
    Da begriff Benedikt, dass es Esthers Stimme gewesen war, die er gehört hatte.
     
    Am nächsten Morgen schleppte er alles, was irgendwie von Wert war, aus den Werkstatträumen und Lagerschuppen hinauf in die Wohnung des Baumeisters. Am Ende stand die kleine Stube voller Kisten, die angefüllt waren mit Schlag- undSpitzeisen in allen Größen, etlichen Klöpfeln, Winkelscheiten und Zirkeln, Spitzhacken und Meißeln und was sonst noch an Werkzeug zu finden war. Selbst die Seilwinden hatte er von den Gerüsten montiert, und was er an schwerem Gerät wie Mörtelkasten und Hebewerkzeuge, Beschläge und Eisenanker nicht die Treppen hinaufbrachte, transportierte er auf Handkarren in den kleinen Innenhof des Hauses.
    Die fertig behauenen Werksteine oder die guten Balken für Gerüste und Arbeitsbühnen mochte seinetwegen klauen, wer wollte. Er hatte aufgegeben. Wer wusste schon, ob Meister Johannes und der Parlier jemals zurückkehren würden. Vielleicht waren sie bereits tot. Ob die Peter-und-Pauls-Kapelle oder der geplante mächtige Chorumgang jemals fertiggestellt würden, stand in den Sternen. Vielleicht brauchte es das alles gar nicht mehr, wenn ohnehin ein Bürger nach dem andern wegstarb.
    Er stellte sich vor, wie alle Menschen in den deutschen Landen von der Pest dahingerafft würden und das ehrwürdige Freiburger Gotteshaus nach und nach von Schweinen und Hunden, Pferden und Ziegen bevölkert würde. Im Lichtgaden würden Tausende von Schwalben ihre Nester bauen, unter dem Gewölbe und im Turm hätten Fledermauskolonien ihr Reich, Gräser und Distelgewächse würden sich ihren Weg zwischen den Steinfugen bahnen. Die Menschheit wäre vom Erdball vertilgt, die Natur würde sich das, was der Mensch ihr abgerungen hatte, wieder zurückerobern.
    Nein, er hatte mit der Baustelle nichts mehr zu schaffen. Lieber wollte er sich um sein Elternhaus kümmern, das zunehmend verwahrloste, da seine Mutter keine Zeit mehr für Haus und Garten fand. Er musste Nahrung beschaffen für sie und die Kinder, da es auf dem Markt kaum noch etwas zu kaufen gab. Dazu würde er sich irgendwo eine Milchkuh aus einemder verlassenen Ställe holen – man hörte sie ja schon von weitem schreien, wenn das Euter fast platzte, weil niemand mehr kam, um sie zu melken. Er würde ihren kleinen Acker vor dem Predigertor bestellen, den einen oder anderen dazu – es lag ja so vieles brach dort in der Predigervorstadt und draußen vor den Stadtmauern.
    Gegen Mittag machte er sich daran, eine Inventarliste zu erstellen, die er heute noch dem Kirchenpfleger übergeben wollte. Was danach geschah, lag nicht mehr in seiner Hand. Sollten der Hüttenkoch doch aus dem Gesellenhaus ein Bordell machen und die Arbeiter bleiben, wo der Pfeffer wächst – ihm war das gleichgültig.
    Nachdem er seine wenigen Habseligkeiten zusammengepackt hatte, kehrte er sorgfältig Küche und Schlafstube aus. Als Letztes zog er die steinerne Büste unter dem Bettladen hervor. Er würde sie auf die Konsole der Peter-und-Pauls-Kapelle stellen, deren Portal so gut wie fertig gemauert war – mit dem Gesicht nach Süden, wo er das heilige Jerusalem vermutete.
    Am selben Nachmittag noch verriegelte er Tür und Tor, sicherte sie mit einer Kette und suchte die Blonde mit den viel zu roten Lippen im Frauenhaus auf. Dort wartete er geduldig, bis sie ihren Freier fertig bedient hatte und ihn in ihre schäbige kleine Kammer hereinrief. Für diesmal versagte Benedikts Männlichkeit nicht, doch zurück blieb ein Gefühl der Trauer.

Kapitel 30
    S o ist also beschlossene Sache, dass Gräfin Anna und Eure Söhne mitkommen?» Filibertus Behaimer räumte

Weitere Kostenlose Bücher