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Der Pestengel von Freiburg

Der Pestengel von Freiburg

Titel: Der Pestengel von Freiburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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seine Utensilien weg.
    Der alte Graf nickte. Er erhob sich aus dem Behandlungsstuhl und ließ sich auf Behaimers ungemachtes Bett sinken. Er wirkte sehr müde in letzter Zeit. Vielleicht war es falsch gewesen, ihn zur Ader zu lassen.
    «Und was ist mit Eurem Sohn Cunrat?», hakte Behaimer nach. Er konnte den heimlichen Sprössling des Alten nicht leiden. «Als Kirchenrektor und Stadtpfarrer wird er seine Schäfchen doch nicht ganz aufgeben wollen?»
    Der Graf zuckte die Schultern. «Soll er allein den Helden spielen, wo schon sämtliche Kapläne auf und davon sind? Immerhin hat er sich um zwei Nachfolger gekümmert, die der Seelsorge für die Bürger nachkommen.»
    Behaimer wiegte missbilligend den Kopf hin und her.
    «Hergelaufene Winkelpriester sind das, die die Liturgie nicht beherrschen», konnte er sich nicht verkneifen zu erwidern. «Ich hab gehört, dass sie nicht einmal anständig Latein sprechen. In nomine patria et filia!» Er kicherte plötzlich. «Wisst Ihr, was das heißt? Im Namen das Vaterland und die Tochter!»
    Doch der Graf verzog keine Miene. Da erst fiel Behaimer ein, dass der Alte ebenso wenig Latein verstand wie ein Bauersknecht.
    «Nun denn – es gibt Wichtigeres als die Kenntnis der Kirchensprache»,lenkte er ein, um nun endlich zum Kern seines Anliegens vorzudringen. «Ist denn Eure gräfliche Verwandtschaft zu Fürstenberg bereits verständigt?»
    «Der reitende Bote wird morgen zurückerwartet. Hoffentlich mit guten Nachrichten.»
    Behaimer schenkte sich und dem Grafen zwei Becher mit Rotwein ein. «Soweit ich weiß, ist die Baar bislang verschont von der Seuche.»
    «Das meinte ich nicht. Will sagen: Hoffentlich heißen uns die Fürstenberger willkommen, wenn wir uns mit halbem Hofstaat bei ihnen breitmachen. Ach, Behaimer», er leerte den Becher fast in einem Zug, «ich will gar nicht weg von hier, schon gar nicht in diese kalte Gegend. Das ist mir alles zu viel. Aber Anna drängt auf baldigen Aufbruch. Dabei hatten wir hier auf der Burg erst einen einzigen Todesfall.»
    Behaimer stellte sich an das offene Fenster seiner Kemenate und atmete die frische, kühle Luft ein, die der Nordwind brachte. Er dachte ungern an diese Sache zurück. Damals hatte er sich geweigert, den Sohn des Stallmeisters zu behandeln. Doch wie durch ein Wunder hatte Franz überlebt. Seine Beulen waren von allein aufgeplatzt, dafür war seine Mutter, die ihn gepflegt und versorgt hatte, hernach an der Seuche gestorben. Seitdem ging, trotz Feuerpfannen und Räucherwerk allerorten, die Angst um auf der Burg.
    «Ein Todesfall zu viel», murmelte Behaimer. Dann sagte er mit fester Stimme: «Gräfin Anna hat recht. Schon der große Galenus hat gesagt: Das einzig probate Mittel gegen die Pestilenz ist es, schnell und möglichst weit zu fliehen.»
    Jetzt erhob sich der Alte und trat neben Behaimer ans Fenster. «Ist meine Stadt nicht einzig schön? Ich will nicht aus ihr fliehen. Hier oben will ich sterben, dort unten begraben sein.Und mein Stundenglas ist ohnehin bald abgelaufen, das fühle ich.»
    «So dürft Ihr nicht reden!» Behaimer war ehrlich erschrocken.
    «Papperlapapp. Ich habe keine Angst. Weder vor dem Sterben noch vor dem Richterstuhl. Was habe ich mir vorzuwerfen? Ich habe gut gelebt, mitunter über die Stränge geschlagen, gewiss, aber die paar lässlichen Sünden wird mir der Herrgott schon verzeihen.»
    Er legte Behaimer den Arm um die Schultern.
    «Nein, ich habe keine Angst vor dem Tod. Nur davor, elendig dahinsiechen zu müssen. Aus diesem Grund möchte ich ja auch, dass du an meiner Seite bleibst.»
    Jetzt war endlich heraus, was Behaimer wissen wollte, was ihn die letzten Tage, seitdem vom Umzug der gräflichen Familie die Rede war, gequält und ihm den Schlaf geraubt hatte.
    «Heißt das, Ihr wollt mich mitnehmen?»
    «Aber ja. Hatte ich dir das nicht gesagt?»
    «Bestimmt, lieber Graf. Ich muss es überhört haben.» Innerlich tat er einen Luftsprung. Nichts anderes als weg von hier wollte er, zumal sein Plan mit dem jungen Grathwohl nicht aufgegangen war. Laut seinem Knecht, dessen Bruder eine schäbige, kleine Taverne im Paradiesviertel betrieb, erfreute sich dieser Meinwart noch immer bester Gesundheit. Zumindest war ihm bislang nichts Gegenteiliges berichtet worden. Und solange dieser Kerl nicht ausgeschaltet war, hing sein Schicksal hier an einem seidenen Faden.
    «Ein Hindernis aber», Behaimer wiegte den Kopf hin und her, «sehe ich noch. Als Stadtarzt darf ich Freiburg ohne Genehmigung der

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