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Der Pestengel von Freiburg

Der Pestengel von Freiburg

Titel: Der Pestengel von Freiburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Stadträte nicht länger als einen Tag und eine Nacht verlassen. Ansonsten verliere ich das Bürgerrecht.»
    «Von welchen Räten sprichst du? Soweit ich weiß, ist die Hälfte dieser ehrbaren Herren schon auf und davon! Nicht zuletzt brauch ich meinen Leibarzt, wenn ich auf Reisen gehe. Und das ist ein Befehl, mein liebes Doctorlein.»
    Behaimer zwinkerte gerührt mit den Augen. Fast schon übermütig, machte er einen weiteren Vorstoß. «Könnten wir Irmel und Nese nicht mitnehmen? Irgendwie sind mir die zwei ans Herz gewachsen.»
    Dem war wirklich so. Inzwischen verzichtete er zwar auf den fleischlichen Verkehr mit den beiden, weil es ihn langweilte, doch hatte er sich an sie gewöhnt wie ein Mann an seine Ehegefährtin. Niemals hätte er es über sich gebracht, sie hierzulassen und den tödlichen Fängen der Seuche auszusetzen.
    Über das faltige Gesicht seines Gegenübers ging ein Leuchten.
    «Nun ja, nun ja – das könnte schon angehen. Vorausgesetzt, du würdest das vor meiner Ehewirtin als deinen Einfall deklarieren. Die gute Anna wird im Alter zunehmend eifersüchtig. Erst recht, seitdem die beiden Mädchen hier auf der Burg leben.»
    Behaimer nickte zustimmend. «Das werde ich der Frau Gräfin schon erklären können. Für wann ist der Aufbruch geplant?»
    «Wenn mein Fürstenberger Vetter einverstanden ist, reisen wir in einer Woche, von heute an.»
    «Dann bleibt ja ausreichend Zeit, alles bestens vorzubereiten. Ich denke, ich werde mein Haus in der Stadt verkaufen.»
    «Ein guter Einfall. Wenn wir dann zurückkehren, wirst du ganz gewiss ein ungleich prächtigeres Haus erwerben können. Und das für einen Apfel und ein Ei.»
    «Das ist wohl wahr. Wenn Ihr erlaubt, werde ich die nächsten Tage einiges in der Stadt erledigen.»
    Der alte Graf drohte ihm mit dem Finger. «Aber bring uns nur nicht die Pest hierherauf!»
    «Habt keine Sorge, ich werde mich fernhalten von den Bürgern.»
    Dabei entsprach das nicht ganz der Wahrheit. Es gab da jemanden, den würde er mit Sicherheit aufsuchen: Grathwohls Witwe Clara. Sie lebte, wie er gehört hatte, ganz allein im Haus Zum Schermesser. Und dort lag noch immer ein wertvolles Regimen sanitatis, das er einmal an ihren Mann verliehen hatte und sich jetzt zurückholen wollte. Darüber hinaus – und bei diesem Gedanken setzte für einen Augenblick sein Atem aus – würde er sich endlich erfüllen, wonach er schon so lange dürstete.
     
    Clara war glücklich, dass Benedikt in sein Elternhaus zurückgekehrt war. Ein Stück weit half ihr das über den schmerzvollen Verlust ihres Mannes und die Einsamkeit in diesem leeren, stillen Haus hinweg. Am ärgsten war es nachts. Da schrak sie auf, weil alles so still um sie war. Weil da kein zufriedenes Schnarchen mehr neben ihr war, kein warmes Bein, das sich an ihres schob, kein Arm, der sich ihr schlaftrunken um den Leib legte. Sie schrak auf und lag da und spürte den Trennungsschmerz wie eine Wunde, die nicht heilen wollte. Mit Benedikts Rückkehr fanden wenigstens ihre nächtelangen Grübeleien ein Ende, die sich meist um ein und dieselbe Frage gedreht hatten: Ergab das, was Mechthild und sie taten, überhaupt noch einen Sinn? Es war so erschreckend wenig, was sie diesem Fluch der Menschheit entgegensetzen konnten. Außer ihnen beiden wagten sich nämlich nur noch eine Handvoll Regelschwestern in die Stuben der Erkrankten und Sterbenden – fromme Frauen, die ihren Gottesdienst in Formvon tätiger Barmherzigkeit, von Armen- und Krankenpflege verwirklichten. Doch mit Benedikts Rückkehr begann Clara wieder frischen Mut zu fassen. Eines Tages würde die Seuche besiegt sein, und bis dahin zählte jedes einzelne Menschenleben.
    Benedikt und sie hatten es sich zur Gewohnheit gemacht, gemeinsam zu Abend zu essen und bis zur Nachtruhe zusammenzusitzen, wann immer es möglich war. Ansonsten sahen sie sich den ganzen Tag über kaum. Clara war mit Mechthild unterwegs zu den Kranken, beim Kräutersammeln oder im Haus des Apothekers Christoffel Ceste, während Benedikt sich, neben der Versorgung der Kinder, um ihren Garten und ihr Feldstück, um die Hühner, sauberes Wasser und Feuerholz kümmerte. Ganz ohne Hilfe hatte er das Korn geschnitten, gedroschen und gesiebt, mit Freude, wie ihr schien, obgleich an ihm nie ein Ackerbürger verlorengegangen war. Die Ernte war diesmal noch spärlicher ausgefallen als sonst, trotzdem hatte er etliche Säcke in die Mühle gebracht. Sie konnte sich denken, dass die Ausbeute nicht allein von

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