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Der Pestengel von Freiburg

Der Pestengel von Freiburg

Titel: Der Pestengel von Freiburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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warst du noch so guter Dinge.»
    «Es ist wegen Meinwart.» Ihre Freundin wischte sich über die Augen. «Ich weiß, es sollte mich längst nicht mehr kümmern, was dieser missratene Kerl treibt. Aber trotzdem bleibt er mein Sohn.»
    «Jetzt erzähl schon.»
    «Meinwart ist fort, aus der Stadt geflohen.»
    «Sei doch froh drum», entfuhr es Clara.
    «Vorhin kam er zu Hause vorbei, nach langer Zeit zum ersten Mal. Er wirkte vollkommen verwirrt und sah furchtbar aus, blutig und mit Würgemalen am Hals. Stell dir vor, jemand hat ihn zu meucheln versucht!»
    «Was? Wer war das?»
    «Das wollte er nicht sagen. Und dann – dann hat er mich bedroht. Wollte einen Beutel Silber von mir, für die Reise. Ich hatte plötzlich solche Angst vor ihm, ich war doch allein im Haus. Als ich mich geweigert habe, hat er erst die Tür zum Kontor aufgebrochen und sich an unserer Schatulle bedient und anschließend aus der Wohnstube alles mitgenommen, was von Wert ist. Selbst das Erbstück meines Vaters, den vergoldeten Trinkbecher, hat er in seinen Reisesack gesteckt. Und dann ist er gegangen.»
    Jetzt konnte sie die Tränen nicht länger zurückhalten.
    «Vielleicht ist es wirklich besser so», murmelte Clara und legte den Arm um ihre Freundin.
    So saßen sie schweigend auf der Bank, bis Benedikt eintrat.
    «Was ist mit euch?», fragte er.
    «Nichts.» Mechthild erhob sich. «Ich gehe jetzt besser nach Hause.»
    «Aber du hast noch gar nichts gegessen», erwiderte Clara.
    «Ich hab keinen Hunger. Ich bin nur müde.»
    Nachdem Mechthild gegangen war, fragte Benedikt: «Ist sie krank?»
    «Nein. Meinwart ist aus der Stadt verschwunden. Und zuvor hat dieser Erzschelm die eigene Mutter beraubt.»
    «Ist das wahr?» Benedikt wirkte weniger entsetzt als vielmehr erleichtert.
    «Jemand hat wohl versucht, ihn zu ermorden. Hast du vielleicht davon die Leute reden hören? Ich meine, du kommst ja viel herum in den Gassen.»
    Er schüttelte den Kopf und setzte sich an den Tisch. Als er seinen Löffel in den Topf mit Gemüsebrei steckte, bemerkte Clara, dass seine Hand zitterte.
    Sie beobachtete ihn eine Zeit lang beim Essen, dann hakte sie nach.
    «Du weißt wirklich nichts über diese Sache?»
    «Himmel – nein!» Der Löffel fiel scheppernd auf die Tischplatte. «Aber wer immer diesen Scheißkerl hat umbringen wollen – er hätte gut daran getan!»
    «Benedikt! Wie kannst du so reden? Er ist Mechthilds Sohn.»
    «Ein Mörder ist er!» Sein Gesicht lief dunkelrot an. «Ein hundertfacher Mörder, und er soll verflucht sein auf ewig.»
    Clara starrte ihn an. Sie kannte ihren Sohn gut genug, um zu erkennen, dass da etwas hinten und vorn nicht stimmte.
    «Sag mir die Wahrheit: Was hast du damit zu tun?»
    Da berichtete er ihr mit stockender Stimme von der geheimnisvollen Botschaft und von jenem Abend draußen am Schießrain. Am Ende ließ er den Kopf auf die Tischplatte sinken und murmelte: «Bald wäre ich selbst zum Mörder geworden.»
    Sie strich ihm übers Haar. «Der Herrgott hat es verhindert, dafür musst du ihm ewig dankbar sein.»
    Sie stutzte. «Was genau hat Meinwart dir gesagt?», hakte sie nach. «Er hätte nur im Auftrag gehandelt?»
    Benedikt sah auf. «Ja. Erst hab ich gedacht, er wollte sich nur rausreden. Aber jetzt glaube ich ihm. So viel Hirn hat der Kerl gar nicht, als dass er   …»
    «Im Auftrag von Behaimer?», unterbrach sie ihn.
    «Sag ich doch. Dieser hinterfotzige Teufel von Stadtarzt. Er hat auch das Giftsäcklein angefertigt.»
    Plötzlich begann sich in Claras Kopf alles zu drehen. Was hatte Heinrich ihr einmal gesagt, als diese ersten Gerüchte mit den Giftbeuteln aufgekommen waren? «Da könnte man geradeso hier oder bei Behaimer und den beiden Apothekern fündig werden.» Dieser feige, selbstgefällige Filibertus Behaimer also hatte den Aufstand gegen die Hebräer in ihrer Stadt angestiftet! Mag sein, dass es auch ohne diesen abscheulichen Komplott zum Mord an den Juden gekommen wäre; vielleicht aber hätten die Freiburger sie auch nur aus der Stadt vertrieben, wie mancherorts geschehen.
    Ein Gefühl stieg in ihr auf, das ihr bislang fremd gewesen war: unbändiger Hass. Wäre sie ein Mann, sie wüsste nicht, wozu sie im Augenblick fähig gewesen wäre. Jetzt blieb ihr nur eines: Sie würde Behaimer zwingen, das zu tun, was Heinrich das Leben gekostet hatte, nämlich als Pestarzt seine Pflicht zu erfüllen. Falls er sich weigerte, würde sie in der ganzen Stadt verbreiten, was für eine Schandtat er begangen

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