Der Pestengel von Freiburg
hergelaufenen Taglöhner heiraten werde, aber schließlich gebühre ihm ja auch nichts andres, als Nachkomme eines gemeinen Badknechts. Zudem hatte Tucher hartnäckig auf jeden Pfennig der hälftigen Mitgift bestanden und ihnen mehr als deutlich gemacht, dass die Familie Grathwohl in seinem Hause nicht mehr willkommen sei.
Mechthild Tucher hatte es sich dennoch nicht nehmen lassen, bei Clara vorbeizuschauen – bis zu jenem Tag, als Benedikt und Meinwart sich die Nasen blutig geschlagen hatten. Da hatte Gottfried Tucher ihr auch diese Besuche verboten, bei Androhung einer Tracht Prügel.
Bis zur Tanzdiele am Fischmarktbrunnen war ein mühsames Durchkommen. So vieles gab es unterwegs zu bestaunen: Hier ein Jongleur in rot-gelbem Mi-Parti, der seine Kunst mit bis zu sieben Bällen gleichzeitig darbot, da ein Feuerschlucker, dort zwei Spaßmacher, von jener Sorte, die in Windeseile die Rollen wechselten und mit Vorliebe den hochnäsigen Bürgersmann oder den tölpelhaften Bauern verulkten. Der eine von beiden war als vornehmer Ratsherr gewandet, der andere, mit langem, weinrotem Mantel und rotem Barett, ließ unschwer den gelehrten Medicus erkennen. Über dem Kopf hielt er ein kolbenförmiges Glas, wie es der Arzt für die Urinschau verwendete. Eine giftgrüne Flüssigkeit schwamm darin. Soweit Clara verstanden hatte, ging es hierbei um einen Liebestrank, nach dessen Einnahme dem Manne jedes Weibsbild ergeben zu Füßen liegen würde.
Der Rotbemantelte begann mit erhobenem Zeigefinger zu schwadronieren:
«Recipe Kampfer, Kupfervitriol,
auch Spießglas, Schwefel, Lorbeeröl,
gedörrte Kröte, Geierkralle,
Bocksblut, Kot und Ochsengalle.
Genieß nur einen Becher voll,
schon wird dein Weib ganz liebestoll,
schiebt dir den Busen an die Lenden –
greif also zu mit beiden Händen.»
«Verehrter Doctor Brunzius,
wie dürstet mich nach solch Genuss!
Mein Gold kriegt ihr und noch viel mehr,
gebt nur das Wundermittel her!»
Clara musste sich auf die Zehenspitzen stellen, um zu sehen, wie der Ratsherr dem Medicus einen gelbbemalten Klumpen überreichte und im Gegenzug das giftgrüne Zeug trinken durfte. Dabei entdeckte sie Johanna mit Michel an der Hand und der kleinen Kathrin auf den Schultern. Mit großen Augen und offenem Mund verfolgten sie aufmerksam das Geschehen. Durch Claras Brust fuhr ein warmes Glücksgefühl. Wie gut hatten sie es doch, und wie schön konnte das Leben sein!
Jetzt begann der vornehme Herr zu jauchzen:
«Wie wohl ist mir, o Brunzius,
und alle Weiber stehn bei Fuß!»
Tatsächlich hatten sich jetzt drei grellgeschminkte Weibsbilder mit offenem Blondhaar aus den Reihen der Zuschauer gelöst und umgarnten den Ratsherrn. Erst auf den zweiten Blick warensie als verkleidete Männer zu erkennen, und die ersten Zuschauer prusteten vor Lachen.
«Doch ach, o weh, hört ihr das auch?
Mir ist, als platzt mir gleich der Bauch.»
Im nächsten Augenblick entwich dem Ratsherrn ein höllisches Gefurze, das gar nicht mehr enden wollte. Die Menge brach in grölendes Gelächter aus, während die vermeintlichen Weiber ohnmächtig zu Boden gingen.
«He, Meister», jemand schlug Heinrich auf die Schulter. «Hast nicht auch so ein Wunderwässerchen für mich?»
Heinrich grinste gutmütig. «Da solltest besser zum Behaimer gehen. Da kommen wenigstens studierte Fürze raus.»
Auch Clara hatte vor Lachen Tränen in den Augen. Sie hätte den beiden gern noch länger zugesehen, doch inzwischen war die Menschentraube so dicht, dass Clara nur noch Schultern, Hüte oder Kopftücher im Blickfeld hatte. Schließlich gingen sie weiter, nicht ohne einen Halbpfennig in den großen Hut am Boden geworfen zu haben.
Vor der Tanzdiele hatte ein Trickkünstler seinen Tisch aufgestellt, und Clara bat ihren Mann zu warten. Der schwarzgekleidete Meister zog eben eine weiße Rose aus dem Ärmel und hielt sie über eine dunkle Schale, unter der ein Licht brannte. Mit seiner Rechten fuhr er drei Mal über die Blume, sprach Zauberworte darüber und reckte die Blume hoch in die Luft. Die weiße Rose hatte sich in eine rote verwandelt!
Während Clara und die Umstehenden begeistert in die Hände klatschten, schüttelte Heinrich nur abschätzig den Kopf.
Derweil hatte der Mann drei rotwangige Äpfel vor sich auf den Tisch gelegt und begann auf einer Hirtenflöte zu blasen.Sogleich erwachten die Äpfel zum Leben und tanzten aufs Fröhlichste hin und her.
Heinrich stieß Clara in die Seite. «Komm! Der Mann ist ein Anfänger,
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