Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Pestengel von Freiburg

Der Pestengel von Freiburg

Titel: Der Pestengel von Freiburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
Vom Netzwerk:
da lohnt das Zusehen nicht. Als Nächstes wird er Eier an einem Frauenhaar schweben oder einen toten Fisch aus der Pfanne springen lassen.»
    Clara bemerkte den wütenden Blick des Trickkünstlers in ihre Richtung und gab dem Drängen ihres Mannes nach.
    «Aber wie kann die Rose sich rot färben?», fragte sie, als sie am Eingang zur Tanzdiele standen. Das Geländer rundum war mit aufgestecktem Buchenlaub und Blumengirlanden liebevoll geschmückt, zahllose Paare drehten schon ausgelassen ihre Runden.
    «In dem Gefäß war heißer Rotwein, und sein Dampf färbt die Blütenblätter.»
    «Aber die Äpfel – wie kann das sein?»
    «Da sind junge Mäuse drin, ob du’s glaubst oder nicht. Ich könnte dir Dutzende solcher Kniffe erklären. Ich sag’s ja: Spielleute und Lumpen wachsen auf einem Stumpen. – Darf ich bitten?»
    Wie zu einem höfischen Reigen verneigte er sich vor ihr und zog sie auf die Bretter.
    Sie tanzten, bis ihnen der Schweiß in den Nacken rann. Clara vergaß alles um sich herum, so herrlich war es, sich zu den Klängen der Trommler, Fiedler und Sackpfeifer zu bewegen. Irgendwann entdeckte sie Filibertus Behaimer, der ein blutjunges Mädchen mit aufgesteckten, flachsblonden Zöpfen im Arm hielt. Clara spürte, wie sie von seinen Blicken verfolgt wurde – nicht feindselig wie sonst, vielmehr begehrlich. Und einmal, als sie mit Heinrich dicht an ihm vorbeisprang, berührten sich ihre Schultern, woraufhin Behaimer die Zungezwischen seinen fleischigen Lippen hervorstreckte und ihr zuzwinkerte.
    Erschöpft suchten sie sich schließlich einen freien Platz in den Bankreihen, die zwischen Fischmarktbrunnen und Tanzboden aufgestellt waren. Nachdem Heinrich ihnen einen Krug vom guten Spitalwein geholt hatte, nahm Clara einen tiefen Schluck und gleich noch einen zweiten. Wie Samt lag der Wein auf der Zunge, und ihr wurde wunderbar leicht zumute.
    «Hast du Behaimer gesehen, mit seiner blonden Metze?» Heinrich wischte sich mit dem Ärmel über den Mund. «Wie der dich angeglotzt hat – eigentlich müsste ich ihn zum Zweikampf fordern.»
    «Du spinnst. Ich hab nichts bemerkt», flunkerte sie.
    «Doch, doch. Ist aber kein Wunder, du hast getanzt wie ein junges Ding.» Er legte den Arm um sie und zog sie an sich. «Und schön bist immer noch.»
    «Jetzt spinnst du erst recht. Ich bin alt und faltig und hab die ersten grauen Haare.»
    Sie mussten sich ihre Worte ins Ohr schreien, so laut war es hier bei den Bänken. Derbe Scherze machten die Runde, mit Geschrei trank man sich über die Bankreihen hinweg zu, der eine fluchte, der andre rülpste ungehemmt in die Runde, und die Musikanten schienen bei jedem neuen Stück noch lauter aufzuspielen.
    «Da ist ja die Tucherin – drüben, beim Ausschank.» Clara hob den Arm und winkte. «Mechthild!»
    Die Tucherin sah in ihre Richtung. Sie trug ein Überkleid aus bestickter Atlasseide in vornehmem Dunkelblau. Das Gebende aus hellem Leinen, das mehrfach um Kopf und Kinn geschlungen war, ließ kaum ihr verhärmtes, blasses Gesicht sehen und war so eng geschlungen, dass Clara sich fragte, ob dieÄrmste überhaupt den Mund zum Essen und Trinken öffnen konnte.
    Clara gab ihr ein Zeichen, herüberzukommen, doch Mechthild schüttelte nur traurig den Kopf. Neben ihr stand, fest untergehakt, ihr Ehewirt, der sich gerade mit Hug Ederlin, dem Freiburger Bürgermeister, unterhielt.
    «Halt den Platz frei», bat Clara ihren Mann. «Ich hol sie herüber.»
    Sie zwängte sich zwischen den Bänken hindurch zum Ausschank.
    «Grüß euch Gott, alle miteinander.» Gegenüber dem Bürgermeister neigte sie den Kopf. Dann wandte sie sich an Mechthild. «Willst du dich mit Gottfried nicht zu uns setzen?»
    Statt der Tucherin antwortete ihr Mann. «Damit der besoffene Pöbel mir in den Wein kotzt? Mach dich nicht lächerlich, Grathwohlin. Unsereins ist an den Tisch des Herrn Bürgermeister geladen.»
    «Und wenn ich dir deine Frau eine Zeit lang entführen dürfte? Wir haben uns lang nicht mehr gesehen, Mechthild und ich.»
    Clara musste sich alle Mühe geben, freundlich zu bleiben. Zumal Gottfried Tucher selbst schon einiges zu viel an Wein genossen haben musste, so wie er die Worte kaute. Jetzt aus der Nähe entdeckte sie die Schatten unter Mechthilds müden Augen, und die vom Tuch halb verdeckte rechte Wange schimmerte blaurot.
    «Nichts da. Oder muss ich noch deutlicher werden? Ihr habt nichts mehr miteinander zu schaffen, du und meine Frau.»
    «Kann sie das nicht selbst   …» Clara

Weitere Kostenlose Bücher