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Der Pestengel von Freiburg

Der Pestengel von Freiburg

Titel: Der Pestengel von Freiburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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anerkennendem Lächeln. Dann stutzte er.
    «Was ist mit dem Gesicht?» Er drehte sich zu Benedikt und starrte ihn verblüfft an. Der schwieg.
    «Ich hab dich was gefragt. Was ist mit dem Gesicht?», wiederholte er streng.
    «Es hat nicht gepasst», entgegnete Benedikt leise. «Nicht zu diesem jungen Mädchen und nicht zu diesem Sinnbild.»
    Dann atmete er tief durch und sagte mit fester Stimme: «Es ist zu einfach, den jüdischen Glauben als böse abzutun, auch aus Sicht von uns Christen. Weil – dieser Glaube ist auch der Glaube unserer Stammväter. Und deshalb hab ich ihr ein eher trauriges Gesicht gegeben.»
    «Beim heiligen Sebastian!» Meister Johannes schüttelte den Kopf. «Ich müsste die Bruderschaft einberufen und Gericht halten. Wegen unbotmäßigen Verhaltens. Du hast dich nicht an die Weisung gehalten.»
    «Ich weiß, Meister Johannes. Aber ich konnte nicht anders arbeiten.»
    Zu Benedikts Erstaunen kletterte Meister Johannes auf das Holzgerüst, das unter der Figur stand, und betrachtete die Synagoge noch einmal aus nächster Nähe. Seine Finger glitten über das steinerne Gesicht. «Ich glaub es nicht, ich glaub es nicht», murmelte er dabei.
    Dann zauste er sich den Kinnbart und sagte laut: «Tatsächlich nur ein paar wenige Schläge, aber der Ausdruck ist völlig verändert.»
    Er kletterte wieder herunter und schlug Benedikt hart gegen die Schulter. «Hör zu, Freundchen. Noch einmal solch eine Unverfrorenheit, und du brauchst dich hier nie wieder blicken zu lassen. Hast du verstanden?»
    «Ja, Meister.»
    «Was deine Arbeit betrifft: Behaupten wir einfach mal, mein Auftrag hätte gelautet, Gesichtszüge und Arm zu erneuern. Und den hast du wirklich meisterhaft erfüllt. – Du solltest es dir wirklich nochmal überlegen, das mit dem Relief fürs neue Chorportal.»
     
    Als Benedikt jetzt durch den Sturzregen nach Hause stapfte, nass bis auf die Haut, musste er immer wieder an dieses Gespräch denken und dabei lächeln. Wenn er Glück hatte, würde er Esther auf ihrem Heimweg von der Weiberschul begegnen, denn heute war Samstag. Ganz gleich, ob sie in Begleitung war oder nicht – er würde sie bitten, sich die Figur der Synagoge baldmöglichst einmal anzusehen, ohne ihr zu verraten, warum. Denn im Grunde hatte er das alles auch für sie getan.
    Bei dem Gedanken, Esther wiederzusehen, schlug sein Herz vor Freude schneller. Seit dem Jahrmarktsbesuch vor vier Wochen waren sie sich nur zwei- oder dreimal auf der Gasse vor dem Haus begegnet. Damals hatten sie beide geahnt, dass es zu Hause Ärger geben würde. Aber das hatte sie nicht davon abbringen können, wunderbare Stunden miteinander zu verbringen. Am Ende hatten sie sogar, im Schutz des Menschengedränges, gewagt, einander bei den Händen zu halten. Da war er kurz davor gewesen, ihr seine Liebe zu gestehen.
    Als er jetzt den kleinen Umweg über die Tromlosengasse nahm, hörte der Regen auf. Er verlangsamte den Schritt, da er sah, wie sich das Tor der Synagoge öffnete. Erst kamen die Männer, dann die Frauen herausgeschlendert, sammelten sich in losen Gruppen. Er entdeckte Esther mit Eli, Jossele und Aaron, die sich anschickten, gemeinsam nach Hause zu gehen. Ihre Eltern blieben wie immer auf dem Vorhof stehen, um noch mit Nachbarn und Freunden zu plaudern.
    Ungeduldig wartete Benedikt im Schatten eines Mauervorsprungs, bis die vier auf seiner Höhe waren. Dann trat er auf die Gasse.
    «Grüß euch Gott!»
    Esther fuhr erschrocken zusammen. «Benedikt!»
    Er wischte sich mit dem Ärmel über das regennasse Gesicht und murmelte eine Entschuldigung.
    «Ich wollt euch nicht erschrecken.» In wohlüberlegter Höflichkeit wandte er sich zunächst an den älteren Bruder. «Hör zu, Aaron, ich muss deiner Schwester etwas sagen.»
    Aaron verzog den Mund zu einem Lächeln, aber sein Blick blieb ernst. «Dann los. Aber mach schnell, wir müssen weiter.»
    Liebend gern hätte Benedikt Esthers Hand ergriffen, doch selbst vor ihren Geschwistern war das ein Ding der Unmöglichkeit.
    «Du kennst doch die Figuren in der Kirchenvorhalle über dem Portal.»
    «Ja – und?«
    Jetzt erst bemerkte er, wie bleich ihr Gesicht war. Unter ihren schönen Augen lagen dunkle Schatten.
    «Schau dir bitte einmal die Synagoge an und sag mir dann, was du davon hältst. Du auch, Aaron, du auch.»
    Aaron stieß ein bitteres Lachen aus. «Damit ich sehe, wie die Gojim unseren Glauben verunglimpfen? Das muss ich mir wahrhaftig nicht antun.»
    «Bitte!» Benedikt warf Esther einen

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