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Der Pestengel von Freiburg

Der Pestengel von Freiburg

Titel: Der Pestengel von Freiburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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fauchte er und schlug ihre Hand weg. Dannstürzte er zur Stube hinaus, hinauf in seine Kammer, packte hastig ein paar Kleidungsstücke und andere Habseligkeiten zu einem Bündel und machte sich ungeachtet des Gewitters, das noch immer tobte, auf den Weg in Richtung Kirchenbauhütte.

Kapitel 7
    B ereits am unteren Burgberg hielt Filibertus Behaimer inne und japste nach Luft. Der Weg hinauf zum Schloss erschien ihm jedes Mal noch steiler. Aber er war ein Mann von Prinzipien und hatte sich nun einmal auferlegt, die Besuche beim alten Grafen und seiner Familie zu Fuß zu erledigen.
    In letzter Zeit nämlich hatte er wieder einmal viel in seinen medizinischen Schriften gelesen und war zu der Erkenntnis gelangt, dass es höchste Zeit sei, die eigenen Körpersäfte wieder in Einklang zu bringen. Der regelmäßige Aderlass war das eine. Bei seiner Leibesfülle indessen gehörten hierzu auch Diätetik und ausreichende, wenn auch gemäßigte Bewegung. Da er dem Typus des Phlegmatikers angehörte, herrschten bei ihm eindeutig die Säftequalitäten kalt und nass vor, und so hatte er sich eine Reihe von strikten Speisevorschriften auferlegt. Schweinefleisch und erst recht Fisch waren zu meiden und durch Rindfleisch zu ersetzen, die Speisen mussten stärker gewürzt oder mit Wacholderbeeren gekocht werden. Dass sich heißer Gewürzwein und Zuckerwaren empfahlen, kam ihm sehr entgegen – weniger indessen die vom großen Galenus von Pergamon angetragene mäßige Bewegung, die die innere Hitze fördern sollte, ohne dass diese durch Schwitzen wieder abgeführt würde.
    Bei dem Gedanken, dass auch der Geschlechtsakt, sofern gemächlich genossen, zu diesen Maßnahmen gehörte, musste er kichern. Erst gestern Abend hatte er wieder zwei der willigenjungen Huren aus der Neuburgvorstadt zu Gast gehabt. Was ihn hingegen leidlich verstörte, war, dass er seit dem letzten Jahrmarkt immer häufiger das Weib des Wundarztes vor Augen hatte. Allein ihre geschmeidigen Bewegungen beim Tanzen konnten, wenn er sie sich vor Augen führte, sein Membrum virile schon zum Schwellen bringen. Dabei waren seine Gespielinnen sonst an die zwanzig Jahre jünger als diese Frau. War es Claras Dreistigkeit, ihr forsches Mundwerk, was ihn so reizte? Nur allzu gerne hätte er sie einmal richtig herausgefordert und in ihre Schranken verwiesen.
    Jetzt trat ihm tatsächlich der Schweiß auf die kahle Schädelpartie, was doch unbedingt zu vermeiden gewesen wäre. Im Schneckengang setzte er seinen Weg fort, Schritt für Schritt die Steige hinauf. Die gräfliche Burg lag an strategisch überaus günstiger Stelle. Dort, wo die uralte Salzstraße vom Schwabenland zum Elsass in die Rheinebene vorstieß, um die Straße von Basel nach Frankfurt zu kreuzen, thronte sie auf einem Bergsporn, mit freiem Blick ins Breisgau und ins Dreisamtal. Als eine der schönsten Burgen weit und breit galt das Castrum de Friburgo, mit seinen trutzigen Mauern und dem wahrhaft herrschaftlichen Palas, der sich mit Erkern, Türmchen und Fahnen schmückte.
    Nun, da Behaimer endlich das Haupttor mit seiner Zugbrücke über der tiefeingeschnittenen Schlucht erreicht hatte, schwor er sich, für den Rest der warmen Jahreszeit wieder ein Ross zu mieten. Schließlich musste er dreimal die Woche hier herauf, und bei akuter Not auch öfter.
    «Gott zum Gruße, Magister Filibertus.» Die beiden Torwächter verbeugten sich und hoben ihre Hellebarden. Der Größere der beiden stieß einen schrillen Pfiff aus. Sofort wandte ein Knabe, der am Brunnen zwei Pferden tränkte, den Kopf.
    «Komm her, Franz, und bring den Doctor hinüber ins Schloss!»
    Der Junge ließ die Pferde stehen und humpelte heran. Er war der Sohn des Stallmeisters, und der Wundbrand, das wusste Behaimer, hatte ihm voriges Jahr die Zehen am rechten Fuß gekostet. Er war selbst dabei gewesen, als Grathwohl sie ihm abgenommen hatte.
    «Braver Junge.» Behaimer tätschelte ihm das struppige Haar. Er gab ihm seine Arzttasche zu tragen und folgte ihm über den Hof, vorbei am Backhaus und der Schmiede, aus der das rhythmische Klingklang der Hammerschläge drang.
    Da das Schloss seit den Zähringern stetig erweitert worden war, durchzog das Innere ein Irrweg von düsteren Treppen und Winkeln. Überall zog es, und im Winter konnte es hier drinnen so kalt werden, dass einem der Atem unter der Nase gefror. Wieder einmal war Behaimer froh, dass er das Angebot des alten Grafen, auf der Burg eine Kemenate zu beziehen, ausgeschlagen hatte. Um wie viel

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