Der Pestengel von Freiburg
schon, dass sein Herr sogleich in einen seiner schwarzgalligen Gemütszustände fallen würde. «Manchmal wird mir das Ganze hier zu einer einzigen Last. Eben vorher war mein Schatzmeister bei mir und hat mir einen düsteren Rapport erstattet. Meine Sippschaft wirft das Geld zum Fenster hinaus, die Hofhaltung wird immer kostspieliger und die Freiburger Bürgersleut immer sperriger. Dazu all diese Fehden. Kaum ist hier ein Loch gestopft, reißt dort ein neues auf.» Er zog die Nase hoch. «Unsere halbe Herrschaft ist schon verpfändet und vergeben, unsere alten Hofstätten, Burgen und Dörfer – all das liegt längst in Händen der Herren von Snewlin, Ederlin, Munzingen, Tußlingen, Krozingen und wie sie alle heißen, mitsamt den Rechten an Zöllen und Zehnten. Am Ende bleiben uns nur noch die Hebräer und die Lombarden, um kurzfristig zu Silber zu kommen. Du ahnst nicht, Behaimer, wie hoch wir allein bei euren Juden verschuldet sind.»
«Wem sagt Ihr das? Ich habe neulich erst dem Grünbaum meine beiden besten Pelze verpfändet. Bleibt nur zu hoffen, dass ich sie bis zum Winter wieder auslösen kann.» Behaimer stutzte. «Ihr denkt doch nicht etwa daran, die jährliche Bürgerschatzung zu erhöhen?»
«Das ist es ja, Behaimer, das ist es ja. Wenn es nach mir ginge, würde ich an den Stadtzoll gehen und an das Ungeldfür Salz und Bier. Denn ich bin der Ansicht, die vierhundert Mark Silber jährlich sind euch Bürgern Last genug. Graf Friedrich hingegen …» Er blickte Behaimer traurig an. «Sag selbst, Behaimer, sag es frank und frei heraus als mein Leibarzt und Vertrauter: Eine Erhöhung der Bürgerschatzung würde einen Aufruhr hervorrufen, nicht wahr?»
Behaimer nahm ihm behutsam die Schröpfköpfe ab und half ihm, sich das Hemd überzuziehen.
«Da Ihr eine ehrliche Antwort fordert, lieber Graf, muss ich Eure Befürchtung leider bestätigen. Die Freiburger würden das nicht hinnehmen.»
«Das dachte ich mir. Es ist nur», jetzt hatte der Alte tatsächlich Tränen in den Augen, «dass ich gegen Friedrich nicht mehr ankomme. Und in meiner eigenen Stadt habe ich nichts mehr zu vermelden! Die reichen Pfeffersäcke, auf die ich früher noch bauen konnte, werden immer weniger, stattdessen breiten sich im Rat die gemeinen Handwerksleute aus wie ein Geschwür. Immer mehr Rechte liegen inzwischen beim Rat der Stadt, jetzt auch noch das Münzrecht, das Ungeld auf Korn und Wein. Grad dass ich noch beim Amt des Kirchherrn und des Schultheißen mitreden darf, und ausgerechnet Letzterer ist mein größter Gläubiger! Laut meinem Schatzmeister droht nun auch der Erlös aus den Silbergruben zu versiegen. Was sind das nur für Zeiten!»
Behaimer fühlte sich zunehmend unbehaglich. Wieder einmal saß er zwischen allen Stühlen. Einerseits fühlte er sich als Leibarzt den beiden Grafen verbunden, zum anderen war er geschworener Stadtarzt und dazu selbst Ratsmitglied.
«Vielleicht solltet Ihr ja das Geld von den Juden holen?»
«Du denkst an das Judenregal?»
«Gewiss. Für den Schutz und Schirm, den Ihr den Hebräernin Eurer Stadt gewährt, müssen sie nun eben eine höhere Steuer bezahlen.»
Der Graf schüttelte den Kopf. «Das hieße, das Ross beim Arsch aufzäumen! Meine jüdischen Gläubiger würd ich damit nur noch mehr gegen mich aufbringen. Und deine Ratscollegen auch. Ihr wacht ja mit Argusaugen über eure Juden.»
«Dann macht es doch wie damals, als Ihr den Hebräern diesen großzügigen Sicherungsbrief ausgestellt hattet. Bietet ihnen erneut sieben Jahre Freiheit von Abgaben und Diensten – und zwar genau wie seinerzeit gegen Schuldzinserlass und eine erkleckliche Summe guten Silbers. Nein, besser noch: Ihr verlangt mehr als damals.»
«Gar nicht dumm, Magisterlein.» Der Graf streifte sich Beinkleider und Tunika über. «Da wird auch mein Friedrich nicht nein sagen. Allerdings geht das nicht gegen den Willen der Stadt, das weißt du selbst. Du müsstest deinerseits ein wenig in diese Richtung wirken – du verstehst, was ich meine?»
Behaimer verstand diesen Wink sehr wohl, und sein Unbehagen wuchs. Er kam mit den Juden zurecht, und was ihre Bildung betraf, bewunderte er sie sogar insgeheim. Sah man einmal von den armen Hausierern und Viehhändlern auf den Dörfern ab, vermochten sie alle zu lesen und zu schreiben, selbst die Weiber, und die meisten Familien nannten kostbarste Folianten ihr Eigen. Zudem wusste er, als Mann der Buchmedizin, in welch gelehrter Tradition die jüdische Medizin stand. Nicht
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