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Der Pestengel von Freiburg

Der Pestengel von Freiburg

Titel: Der Pestengel von Freiburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Feldstück und Garten, in dem allerdings nichts mehr so recht gedeihen wollte. Sie machte ihre Krankenbesuche und erntete dafür spöttische Bemerkungen von Behaimer, wenn sie ihm begegnete, was ihr allerdings nicht viel anhaben konnte. Denn inzwischen baten vor allem die Frauen darum, Heinrich möge doch sein Eheweib zum Venenschlagen schicken, mit ihr ergehe es ihnen hernach viel wohler.
    Diesen Erfolg nahm Clara nicht ohne Genugtuung entgegen, schließlich hatte sie ihrem Mann mehr als einmal vorgeworfen, dass die Wundärzte gemeinhin zu viel Blut abnahmen und dass die häufigen Ohnmachtsanfälle nach dem Aderlass allein darauf zurückzuführen seien. Clara selbst hielt sich an die Empfehlung der Hildegard von Bingen. Bei einem gesunden, kräftigen Menschen sei einmal auf das Vierteljahr nur so viel Blut zu entziehen, wie ein durstiger ausgewachsener Mann auf einen Zug Wasser trinken könne, bei körperlich Schwachen sogar nur so viel, wie ein Ei von gewöhnlicher Größe fasse. Auf Heinrichs Frage, woher sie diese Erkenntnis habe, da sie doch gar nicht lesen könne und schon gar nicht auf Latein, hatteClara lachen müssen: «Du selbst hast mir das vor langer Zeit mal vorgetragen, aus einem deiner Traktate.»
    «Vielleicht sollte ich mir doch deine Methode zu eigen machen», hatte Heinrich schließlich zugegeben. «Vielleicht hat deine Hildegard doch recht.»
    Danach hatte er sie geküsst und sie eine kluge, geschickte Wundärztin genannt. Zu anderen Zeiten hätte Clara sich gefreut über dieses liebevolle Lob. Doch ihre täglichen Gedanken waren neuerdings zu sehr von Sorgen geprägt, wobei das Gerede der Leute über die ferne tödliche Seuche noch die geringste darstellte.
    Da war zum einen ihre alte Freundin und Nachbarin Mechthild, die sie inzwischen nur noch beim Kirchgang traf. Dann standen sie dicht beieinander auf Seiten der Frauen, ausreichend fern dem Blickfeld des alten Tuchers, und unterhielten sich im Flüsterton. Clara wusste längst, dass diese zarte, stille Frau von ihrem Mann immer wieder Schläge einstecken musste. Eines Samstagabends kurz nach Sankt Margarethen war Mechthild mühsam in die Kirche gehumpelt gekommen, gestützt auf ihren ältesten Sohn Herrmann, das Gesicht fast ganz von ihrem Kopftuch verhüllt. Erst beim Credo erkannte Clara, wie übel der Freundin diesmal mitgespielt worden war. Ihr Wangen schillerten in Blau- und Grüntönen, das rechte Auge war geschwollen.
    «War er das?», flüsterte Clara entsetzt.
    Die Tucherin nickte verschämt.
    «Du musst etwas unternehmen. Sprich mit Pfarrer Cunrat darüber.»
    «Das hab ich bereits. Vor dem Gottesdienst.»
    «Und? Was hat er dir gesagt?»
    «Ich soll mein Leiden annehmen wie einst Christus undbeten, dass Gottfried sich ändert.» Ihr geschundenes Gesicht verzog sich in einer Mischung aus Schmerz und Verzweiflung. «‹Gevatterin›, hat er gesagt, ‹ertrage diese Schläge mit Geduld; denn es ist Gott unser Herr, der dir dieses Kreuz zu tragen gibt!›»
    An diesem Abend hatte Clara die heilige Katharina als Schutzpatronin der Ehefrauen inständig angefleht, ihrer Freundin beizustehen, ohne dass es sie getröstet hätte.
    Ihre andere große Sorge betraf Benedikt. Seit jenem Streit wegen Esthers Verlobung wohnte er endgültig im Gesellenhaus am Kirchhof, nahm seine Mahlzeiten mit Meister Johannes oder den Werkleuten ein und ließ sich nur noch blicken, wenn er etwas von zu Hause brauchte oder seinen Lohn ablieferte. Sein Gesicht war trotz der Arbeit im Freien blass, die hellblauen Augen wirkten müde und wichen ihrem Blick aus, wenn sie sich begegneten. Das abweisende Verhalten ihres eigenen Sohnes schmerzte sie jeden Tag aufs Neue.
    Tief im Herzen tat Benedikt ihr unendlich leid. Schließlich wusste sie selbst, was Liebe bedeutete. Hatte sie doch das große Glück erfahren, das nur so wenigen Frauen zuteilwurde, und den Mann, den sie liebte, auch heiraten dürfen. Dennoch   – Benedikt war alt genug, um seine Lage vernünftig einzuschätzen. Und jung genug, um noch vielen Frauen zu begegnen, denen er zugeneigt war und die zu ihm passten.
    Vielleicht, sagte sie sich inzwischen, hatte sie ihn auch zu sehr verzärtelt, als ihren Erstgeborenen. Bei Johanna war das schon anders gewesen, und erst recht bei Michel und Kathrin. Hatte sie Benedikt in seinen Kinderjahren noch bei jedem nächtlichen Hüsteln oder Bauchkrampf in ihr Bett geholt, war sie ihm, kaum dass sie ihn aus den Augen verloren hatte, hinterhergerannt, so hatte sie bei

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