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Der Pestengel von Freiburg

Der Pestengel von Freiburg

Titel: Der Pestengel von Freiburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Du warst ja selbst schon dabei, wenn mein Vater am Freitagabend das Lob der tüchtigen Hausfrau singt.»
    «Ich würde dir jeden Abend das Lob der Hausfrau singen!»
    Esther wirkte verlegen.
    «Weißt du eigentlich, dass deine Nase schief ist?» Sie fuhrkaum spürbar mit ihren Fingern die Linie seiner Nase nach. «Und das nur, weil du dich für mich geprügelt hast.»
    Er blickte in das dunkle Blau ihrer Augen. Es war die Farbe eines wolkenlosen Abendhimmels, wenn der Tag zu Ende ging.
    «Bitte, Esther – heirate ihn nicht!», stieß er unwillkürlich hervor.
    Sie starrte ihn an. «Und dann?», flüsterte sie so leise, dass er sie kaum verstand.
    «Dann werde meine Frau!»
    Sie wandte das Gesicht ab. «Das ist es ja, warum ich dir all das gesagt habe. Verstehst du denn nicht? Ein Jude bleibt immer ein Jude. Das Kind einer jüdischen Mutter bleibt jüdisch bis zu seinem Tod. Und einen Christen heiraten darf ich als Jüdin schon gar nicht.»
    «Dann werde ich eben Jude. Ganz einfach.»
    «Einfach?» Esther lachte auf. «Das sag mal unserem Rebbe. Bei uns wirst du nicht mit offenen Armen empfangen. Im Gegenteil – du musst dich beweisen. Du musst unsere vielen Gebote und Gesetze nicht nur kennen, sondern auch beachten. Und du musst dich beschneiden lassen.» Sie schüttelte den Kopf. «Deine Eltern würden das niemals ertragen. Du würdest alles verlieren, deine Familie, deine Freunde, deinen Beruf als Steinmetz. Und in den Augen deiner Kirche wärst du ein elender Ketzer.»
    Störrisch schob Benedikt die Unterlippe vor. «Dann komm du zu unserem Glauben. Lass dich taufen und bleibe im Herzen Jüdin.»
    «Benedikt! Ein Jude würde eher sterben als seinen Glauben verleugnen.»
    «Aber das musst du gar nicht! Du kannst weiterhin glauben,wie du es willst. Wie es deine Gebote vorschreiben. Unser beider Gott ist derselbe, er würde es verstehen. Es geht doch nur darum, dass – dass   …» Er geriet ins Stammeln. «Ich würde es nicht ertragen, dich zu verlieren. Weil ich dich liebe.»
    Jetzt war es heraus. Vom Flussufer her drang das Geschnatter aufgescheuchter Enten. Drüben am Weg brach eine Gruppe von Männern in lautes Lachen aus. Mit einer kühlen Brise kündigte sich der Abend an.
    Esther nahm seine Hand. In ihren Augen schimmerten Tränen.
    «Ich werde Uri ben Salomon heiraten. Aber ich möchte, dass wir Freunde bleiben. Auf immer und ewig.»
     
    An diesem Abend hatte Benedikt eigentlich vorgehabt, nach langer Zeit zum ersten Mal die heilige Kommunion zu empfangen. Doch statt sich einzureihen in die Schlange vor dem Altar, blieb er an seinem Platz und kämpfte erneut gegen die aufsteigenden Tränen an.
Ich werde Uri ben Salomon heiraten
, hallte es in seinen Ohren. Dieser Satz übertönte das Dankgebet der Gemeinde, das «Ite missa est», den Schlusssegen des Pfarrers. Am Ende war er einer der Letzten, der die Kirche verließ.
    Vor dem Kirchenportal wartete zu seinem Erstaunen seine Mutter auf ihn, inmitten der Grempler, die hier verbotenerweise Eier, Frühäpfel und Sommerbirnen anboten. Er wollte mit gesenktem Kopf an ihr vorübergehen, als sie ihn am Kittel festhielt.
    «Was ist mit dir? Hast du geweint?», fragte sie leise.
    Er schüttelte den Kopf.
    «Es ist wegen Esther, nicht wahr? Ach Benedikt, mein Junge – es tut mir so leid für dich.» Sie strich ihm über die Hand. «Ich glaube, du liebst das Mädchen wirklich.»
    Brüsk zog er seine Hand weg. «Was redest du da? Und überhaupt, was geht dich das an?»
    Er spürte schmerzhaft, wie zerrissen er war zwischen der noch immer schwelenden Wut auf seine Mutter und der Sehnsucht nach seinem Zuhause, seiner Familie.
    «Magst du nicht wieder heimkommen?» Ihre Stimme klang zaghaft.
    Benedikt holte tief Luft. «Ich werde es mir überlegen.»

Kapitel 9
    D er verregnete, viel zu kühle Sommer, der dem heißen Frühjahr gefolgt war, bescherte den Menschen am Oberrhein die dritte magere Ernte in Folge. Die Kornspeicher der Städte konnten nur halb gefüllt werden, und der Preis für ein Vierpfünderbrot stieg um das Doppelte, bald schon um das Dreifache. In dieser bedrückenden Lage baute sich am Horizont eine unfassbare und noch weitaus schlimmere Bedrohung auf: Gleich einer Flutwelle wälzte sich die große Seuche von Frankreich und Italien unaufhaltsam auf die südlichen deutschen Lande zu. Inzwischen war sie von Paris aus nach Britannien gelangt, hatte im Osten das Alpengebirge überquert und die ersten Opfer am bayrischen Inn gefordert.
    Nachdem der Rat der

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