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Der Pestengel von Freiburg

Der Pestengel von Freiburg

Titel: Der Pestengel von Freiburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Frühe zwei Ratsherren zum Bartstutzen erschienen.
    Clara kehrte gerade vom Markt zurück und hörte die Stimmen der Männer aus der Stube. Durchnässt und verfroren ging sie geradewegs in die Küche, um ihren Umhang zum Trocknen aufzuhängen und sich am Herdfeuer zu wärmen. Ein prüfender Blick verriet ihr, dass Johanna bereits den Gewürzwein zubereitet und hinübergebracht hatte. Dann musste sie sich darum wenigstens nicht kümmern.
    Nachdem die Kälte aus ihren Gliedern gewichen war, holte sie Besen und Kehrwisch aus der Kammer, um sich ans Fegen der Schafstuben zu machen. Da trat Johanna mit dem leeren Krug in der Hand in die Küche. Sie wirkte verstört.
    «Was ist mit dir?»
    Ihre Tochter stellte den Krug ab. «Die Juden – die Hebräer», stammelte sie. «Sie sollen schuld sein.»
    «Schuld woran?»
    «An dieser Seuche, die überall wütet.»
    «Aber Johanna! Was redest du da?»
    «Ich hab es doch selbst gehört, was die Herren Räte da eben gesprochen haben. In einem Land nicht weit von hier hätten die Juden die Brunnen vergiftet. Nur deshalb gibt es diese Seuche.»
    «Das ist großer Unsinn, Mädchen.»
    «Dann frag doch den Vater, wenn die Ratsherren weg sind.» Ihre Stimme begann zu zittern. «Was ist, wenn auch unsere Nachbarn   …»
    «Jetzt hör auf damit, Johanna. Du hast gewiss etwas falsch verstanden. Hier», sie drückte ihrer Tochter Besen und Kehrwisch in die Hand. «Geh nach oben und mach sauber. Ich kümmere mich um die Küche.»
    Nachdem Johanna verschwunden war, ließ sich Clara auf die Küchenbank sinken. Nicht zum ersten Mal erlebte sie, wie den Juden etwas angehängt wurde. Bei jeder schlechten Ernte wurden Stimmen laut, dass es nur an ihnen lag, wenn das Korn auf dem Feld verderbe. Selbst an der großen Überschwemmung mit vielen Toten vor sechs Jahren und an den kalten, verregneten Sommern sollten die Juden schuld sein. Flugs wurden dann die altbekannten Geschichten aufgetischt, dass nämlich die Hebräer in ihren Synagogen, zu denen kein Christ Zutritt habe, geheimnisvolle Rituale und Hexenkunst pflegten. Auch Clara fand einiges an ihnen merkwürdig. Aber dass sie nun schuld an der Pestilenz sein sollten? Wer, der noch alle Sinne beieinanderhatte, konnte so etwas Ungeheuerliches glauben? Ihr fiel ein, wie erst kürzlich der Karrenbeck gekeift hatte, dass der Zorn Gottes die mächtigen Städte Italiens nur deshalb mit der Seuche heimsuche, weil dort so viele Juden lebten. Und alle Umstehenden hatten hierzu eifrig genickt. Dabei war doch bekannt, dass auch Städte und Dörfer, in denen keine Juden wohnten, von der Seuche betroffen waren!
    Als Heinrich endlich zu ihr in die Küche trat, war er wachsbleich.
    «Jetzt weiß man endlich um die Schuldigen.» Er stieß ein bitteres Lachen aus. «Kein Erdbeben oder Feuersturm hat den tödlichen Pesthauch über die Menschheit gebracht. Nein, allein der Jude hat das getan. Er vergiftet Brunnen und Quellen, damit faulige, verseuchte Dämpfe aufsteigen und uns alle vernichten.»
    Seine Hände zitterten, als er sich den Rest Gewürzwein einschenkte. Clara starrte ihn entgeistert an.
    «Aber das ist doch das reinste Affengeschwätz! Warum sollten die Hebräer ihr eigenes Wasser vergiften?»
    «Das sagst du. Aber was meinst du, was ich mir heut Morgen von den Herren Neumeister und Pfefferlein alles anhören musste? Jetzt wisse man endlich, warum die reichsten der Juden ihren eigenen Brunnen hätten oder ihr Tauchbad im Keller.»
    «Aber das sind doch nur einige wenige. Was glaubst du, wie viele jüdische Frauen ihr Wasser aus demselben Brunnen holen wie wir alle? Das hab ich doch täglich vor Augen. Wie lächerlich!»
    Heinrich schüttelte den Kopf. «Das Ganze ist ernster, als es sich anhört. In Neuenstadt am Genfersee hat man einen jüdischen Arzt gefangen gesetzt. Er hat gestanden, dass ein Jude aus Toledo Giftbeutel an seine Glaubensbrüder verteilt und in alle Welt verschickt habe, um die Brunnen zu vergiften.»
    «Das hat der Mann tatsächlich zugegeben?»
    «Nach fortgesetzter Tortur, versteht sich. Aber man hat auch nicht versäumt, vor Gericht haltbare Beweise vorzubringen. Nachdem man sein Haus durchwühlt hatte, fand man nämlich dort das Gift. Wozu nicht viel gehört, bei einem Arzt.» Erschnaubte verächtlich. «Da könnte man geradeso hier oder bei Behaimer und den beiden Apothekern fündig werden.»
    «Also beweist das überhaupt nichts! Und außerdem – waren denn unter den Opfern der Pestilenz keine Juden?»
    «Natürlich, die

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