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Der Pestengel von Freiburg

Der Pestengel von Freiburg

Titel: Der Pestengel von Freiburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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werden ebenso dahingerafft wie die Christen oder die Sarazenen.» Heinrich wirkte verzweifelt. «Clara, begreifst du nicht – das ist erst der Anfang! Unser Rat steht seit einigen Tagen im engen Austausch mit den städtischen Eidgenossen in Bern und Straßburg, da gehen täglich reitende Boten hin und her. Man ist der festen Überzeugung, eine jüdische Verschwörung zur Vernichtung der Christenheit aufgedeckt zu haben.»
    Clara konnte es noch immer nicht fassen. «Was – was haben unsere Ratsherren vor?»
    «Man will die Juden hier scharf im Auge behalten und die Entwicklung der Dinge vorerst abwarten. Den Brunnenmeister haben sie bereits angewiesen, die Brunnen in der Stadt nicht mehr nur einmal, sondern dreimal am Tag zu inspizieren. Wie lächerlich! Bleibt nur zu hoffen, dass unser Graf Cunrat weiterhin seine schützende Hand über die Juden hält.»

Kapitel 10
    I n den nächsten Tagen ging ein reger Schriftwechsel zwischen den Kanzleien der Städte im Elsass und am Oberrhein hin und her. Dabei wurde jede Einzelheit, die aus der Freiburger Ratsstube drang, zum Stadtgespräch. Nachdem schließlich die Juden von Neuenstadt wegen Brunnenvergiftung zum Feuertod verurteilt worden waren, machte sich als Nächstes die kleine Stadt Zofingen im Aargau daran, gegen ihre jüdischen Einwohner vorzugehen. Man fand nicht nur Gift im Hause eines Hebräers namens Tröstli, sondern marterte auch mit Zangen und brennenden Fackeln drei jüdische Männer und eine Frau. Und zwar so lange, bis sie gestanden, das Gift an Hunden, Schweinen und Hühnern erfolgreich ausprobiert zu haben.
    Die Weltverschwörung der Juden gegen die Christen war hiermit bestätigt. Nicht ohne Stolz meldete der Zofinger Rat den Befund weiter nach Bern, Basel und Straßburg. Eine Welle von Verhaftungen kam hierdurch ins Rollen, zuerst in Bern und Solothurn, dann am Bodensee, in Stuttgart, Landsberg und Augsburg. Mittels Folter gelang es allerorten, vor Gericht haltbare Beweise für die Behauptung der Brunnenvergiftung beizubringen. Der Befund war stets derselbe: Die Juden hätten Giftbeutel in Brunnen und Quellen gelegt, ja sogar an Komplizen in ferne Gegenden gesandt – lederne und leinene Beutel, die eine Mischung aus Menschenblut, Urin, Pulver aus geweihten Hostien und geheimen Zauberkräutern enthielten.
    Noch im selben Herbstmonat hatte man in diesen Städtenden Stab über die Angeklagten gebrochen. Wer nicht fliehen konnte oder sich freiwillig taufen ließ, wurde hingerichtet. Und nicht wenige der Flüchtigen wurden von den Bauern gefangen und hernach erschlagen oder ertränkt.
    «Gilt denn das päpstliche Wort gar nichts mehr?», fragte Clara entsetzt ihren Mann. «Hat sich Papst Clemens in seiner Bulle nicht zum Schutzherrn der Juden erklärt? Und hat er nicht verboten, sie zu morden und ihre Habe zu rauben? Warum tut er dann nichts dagegen?»
    Bei allen Vorbehalten gegenüber ihren jüdischen Nachbarn empörte sich ihr Gerechtigkeitssinn mehr und mehr gegen diese schier unglaublichen Vorkommnisse. Heinrich versuchte sie zu beruhigen. «Der Heilige Stuhl wird einen solchen Frevel nicht hinnehmen. Diese Unseligen werden ihre gerechte Strafe finden, glaub mir.»
    Als Nächstes erfuhren sie, dass einer der in Bern gefolterten Juden gestanden hatte, das Gift nach Basel geschickt zu haben. Indessen war der dortige Rat bald schon von der Schuldlosigkeit der Juden überzeugt und verbannte sogar einige Ritter aus der Stadt, die Gewalttaten gegen Juden begangen hatten. Die Zünfte nahmen dies zum Anlass, vor dem Richthaus aufzumarschieren und die Vertreibung der Juden zu verlangen, auf zweihundert Jahre hinaus. Aber die Ratsherren gaben nicht nach.
    Auch in der freien Reichsstadt Straßburg reagierten die Stadtherren erstaunlich zurückhaltend auf die Anklage der Brunnenvergiftung. Man hielt gegenüber den Juden am königlichen Schutzbrief fest – zumal Straßburg als freie Reichsstadt den größten Teil der Judensteuer einbehalten durfte – und ließ ihr Wohnquartier sogar von bewaffneten Stadtknechten bewachen. Sicherheitshalber und um der Gerechtigkeit Genüge zu tun, nahm man aber drei jüdische Männer fest und unterzogsie einer peinlichen Befragung, ohne indessen ein Geständnis zu erlangen. Damit war der Rechtsweg eingehalten, und man konnte ihnen die Freiheit zurückgeben. Zugleich forderte man aus Zofingen eine Probe des Giftes an, um damit ausgiebige Versuche zu unternehmen. Eine Kommission wurde eingesetzt und gezwungen, aus angeblich

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