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Der Peststurm

Der Peststurm

Titel: Der Peststurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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nach Beendigung der Pest erneut eine Untersuchungskommission nach Staufen entsenden, die alles daransetzen würde, die Schuldigen für die Vertreibung der Juden auszumachen. Sicher würde auch der Kastellan in diesen Ausschuss berufen werden. Allein schon dessen freundschaftliche Verbundenheit zu seinen neuen Verwandten konnte fatale Folgen haben: Zum einen würde der ›Pater‹ nicht so locker an das Bomberg’sche Anwesen kommen oder – sollte er es bereits in Beschlag genommen haben – es umgehend zurückgeben müssen und zudem mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch noch wegen böswilliger Aufhetzung der Massen bestraft werden. Aber der Schuhmacher war sich absolut sicher, dass sein christlicher Herr im Himmel gerecht war und die Sache im gewünschten Sinne beendet werden konnte. Da er dieses Haus schon hatte erwerben wollen, bevor die Bombergs eingezogen waren, leitete er für sich das moralische Recht ab, es jetzt in seinen Besitz zu nehmen. Aber ganz so weit war es noch nicht.
    Die Leute müssen noch viel aggressiver werden, um den Juden so viel Angst einzujagen, dass sie ihr Heim fluchtartig verlassen, dachte der ›Pater‹ und tuschelte einem anderen Nachbarn ins Ohr, dass Jakob Bomberg den Seelesgraben vergiftet und dadurch in Staufen den Tod heraufbeschworen hatte. Diese Art der Hetzerei klappte abermals.
    »Ihr seid an allem schuld! … Ihr habt unsere Gewässer vergiftet«, rief der Mann über die Menge hinweg in Richtung des Bomberg’schen Anwesens.
    »Kommt heraus oder es geschieht ein Unglück! Vermaledeite Jesusmörder!«
    »Ergebt euch dem christlichen Volk, dem ihr so viel antut«, oder: »Wir bringen euch um!« und ähnliche Aufforderungen zeigten – zumindest nach außen hin – zunächst keinerlei Wirkung.
    Da man aus dem Haus der Bombergs nicht das geringste Geräusch vernehmen konnte, hatte es lange Zeit den Anschein, als wäre überhaupt niemand daheim. Erst als Josen Bueb, den Dreschflegel schwingend, damit drohte, das Haus zu stürmen, und ihn an die 60 Kehlen lauthals dabei unterstützten, ging langsam die Haustür auf und Jakob Bomberg streckte vorsichtig seinen Kopf heraus. Da er die riesige Menschenmenge zuvor schon durch Ritze in der Hauswand beobachtet hatte, war er zwar nicht mehr überrascht, dafür aber umso ängstlicher. Jetzt sah er auch noch den furchteinflößenden Hass in den blitzenden Augen der Belagerer. »Was wollt ihr von uns? Was haben wir euch getan?«, fragte er mit zitternder Stimme.
    »Hau mit deiner Brut sofort ab! … Verschwindet«, bekam er im Chor zur Antwort, während einer seinem Wunsch nach Judiths Hühnern und Eiern lauthals Ausdruck verlieh, indem er einen Steinbrocken schleuderte, der Jakob so fest am Kopf traf, dass er wie ein Sack nach hinten kippte.
    »Das geschieht dir recht, du Saujude«, hörte man die Leute freudig grölen, während sich Jakob auf allen Vieren ins Innere seines Hauses schleppte und Lea bedeutete, rasch die Tür zuzuziehen.
    Das zarte Mädchen schaffte es gerade noch, den schweren Riegel vorzuschieben. »Papa, Papa! Was ist mit dir?«
    Lea sah das rote Rinnsal am Kopf ihres Vaters und holte geistesgegenwärtig ein Stück Leinen, das sie ihm auf die klaffende Wunde drückte. So sehr sich das kleine Mädchen auch bemühte, ihr Vater war nicht mehr ansprechbar.

Kapitel 29
     
    Würde sich die magere Mondsichel nicht schon gestern Nacht angeschickt haben, fetter zu werden, wäre es auch jetzt noch stockdunkel gewesen. So aber gab der Mond genügend Licht, um die Pforte am zweiten, rechts gelegenen Gebäude des Mehrerauer Klosters auf Anhieb zu finden. Ulrich blickte Jodok an und wartete auf ein Zeichen von ihm, um an die Klosterpforte klopfen zu können. Als Jodok zustimmend nickte, packte er den bronzenen Ring, der wie Ohren an beiden Seiten eines kunstvoll gearbeiteten Engelskopfes angebracht war, und schlug ihn auf die darunter befindliche Eisenplatte, dass es nur so schepperte. Trotz des Höllenlärms in der ansonsten ruhigen Nacht rührte sich nichts.
    »Der Bruder Pförtner schläft wohl schon den Schlaf des Gerechten«, bemerkte Jodok mit einem wissenden Lächeln in den Mundwinkeln, während Ulrich mürrisch den schweren Ring nochmals so fest auf das Eisen krachen ließ, dass es nicht nur im Klosterhof, sondern bis zur hinter den gegenüberliegenden Gebäuden untergebrachten Klosterfleischerei hallte. Aber es tat sich immer noch nichts.
    »Um diese Zeit können noch nicht alle schlafen … oder doch?«, fragte

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