Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Peststurm

Der Peststurm

Titel: Der Peststurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
Vom Netzwerk:
nennenswerten Probleme gehabt und sind gut vorangekommen. Ich denke, dass ich mir jetzt einen großen Humpen Bier verdient habe«, stellte der hünenhafte Mann Gottes selbstzufrieden fest.
    Ulrich Dreyling von Wagrain lachte auf. »Du hast recht. Wenn man den lästigen Bettler, dem du vermutlich mit deinem Fuß vom Kutschbock herunter sämtliche Zähne eingeschlagen hast, und die Gruppe Burschen, die du in einen Bach jagtest, damit sie darin ihr Mütchen kühlen konnten, die versprengten schwedischen Soldaten, die du bis auf den letzten Mann mit deiner Waffe niedergestreckt hast – ich glaube, es waren derer sechs – und die Aussätzigen, die wie alle anderen Wegelagerer unseren Wagen plündern und die Pferde stehlen wollten, nicht rechnet, haben wir in der Tat keine nennenswerten Probleme gehabt«, lästerte er. Schließlich fügte er noch ernst gemeint an: »Ja, mein Freund, ich bin auch der Meinung, dass du dir einen kühlen Trunk verdient hast.« Trotz seiner Gedanken, die ständig um Diederichs Tod kreisten, war dem Kastellan seit seiner Abfahrt vom Kloster Mehrerau seltsamerweise irgendwie wohler. Wahrscheinlich lag es daran, dass er die Hiobsbotschaft seinem ältesten Sohn überbracht und diese Hürde, wenn auch tränenreich, gemeistert hatte. Er wusste, dass er seinen Blick nach vorne richten musste … , auch wenn’s im Moment noch sehr schwerfiel. Obwohl er es kaum erwarten konnte, zu seiner geliebten Familie zurückzukommen und zu erfahren, wie es seiner Frau und seinem Enkel ging, konnte er Nepomuk den Wunsch nach Labung nicht abschlagen. Außerdem hatten sie nur eine einzige Rast gemacht und er konnte jetzt auch einen erfrischenden Schluck vertragen. Schales Wasser hatten sie schließlich genug getrunken.
    Da sie aufgrund der beiden kräftigen Zugpferde und Nepomuks ständigen Befreiungsschlägen tatsächlich schneller vorwärtsgekommen waren, als sie gedacht hatten, war es noch helllichter Tag und sie hatten genügend Zeit, sich und den Pferden eine angemessene Ruhe zu gönnen, bevor sie sich auf die letzte und schlimmste Etappe zum steilen und gefährlichen Hahnschenkel machen wollten, den es allerdings unbedingt vor Einbruch der Dunkelheit zu überqueren galt.
     
    Nachdem sie das Fuhrwerk im sicheren Hinterhof der Simmerberger Brauerei abgestellt und die Pferde versorgt hatten, eilten sie in die Taverne.
    »Ja, ja, eine Scheißzeit. Niemand hat Geld, um sich ein Bier leisten zu können. Dank sei Dir, mein Herr, dass Du wenigstens uns beide mit genügend Münzen und ausreichendem Durst ausgestattet hast«, gab Nepomuk übermütig von sich, als er während eines Blicks durch das kleine Fenster neben dem Taverneneingang feststellte, dass in der Gaststube nur ein paar harmlos aussehende Männer saßen und er – so wie es aussah – weder seine Fäuste noch seine Doppelaxt würde benutzen müssen.
    »Und dank unseres Herrn Jesus Christus hast du die Gabe, auch dann saufen zu können, wenn du keinen Durst hast«, scherzte Ulrich, der sich schon im Bregenzer ›Schwanen‹ von Nepomuks imponierendem Trinkverhalten hatte überzeugen können, schon wieder. Aber auch er freute sich jetzt auf einen Becher Bier.
     
    Der Hüne passte trotz Bückens gerade noch durch den Türrahmen und gestattete beim Eintreten nur einzelnen Sonnenstrahlen, ihn in das Wirtshaus zu begleiten. Erst als er im Schankraum stand, erkannten die an einem großen runden Tisch sitzenden Männer, dass es sich bei dem riesenhaften Gesellen um einen Mann Gottes handelte. Sie wussten nicht, was sie davon halten sollten, unterbrachen aber sicherheitshalber ihr Gespräch und starrten den Fremden furchtsam an. Da auf Nepomuk das bis an den Bodensee hinunter als besonders schmackhaft bekannte Simmerberger Bier wartete, war er gut aufgelegt und zog es vor, die Stammtischbrüder nicht unnötig zu erschrecken, was er ansonsten gerne tat, indem er seine Axt zielgenau gegen eine Wand schleuderte, in der sie seiner Erfahrung nach stets steckenblieb. So hatte er vor dem Eintreten seine furchterregende Waffe unter der Kutte versteckt, in den Raum hinein ein großes Kreuz gezeichnet, ein laut vernehmliches »Gelobt sei Jesus Christus« geknurrt und auf die Antwort der Zecher gewartet.
    »In Ewigkeit, Amen«, murmelten diese, bekreuzigten sich und grüßten sichtlich entspannt, bevor sie die beiden zu sich an den Tisch winkten. Dies taten die maulfaulen Bewohner des westlichen Allgäus weniger aus Gastfreundschaft als aus Neugierde und Interesse an den

Weitere Kostenlose Bücher