Der Peststurm
Aber dann erzählst du uns allen hurtig, welchem Gespenst du auf dem Weg nach Stiefelhofen, oder wie dieser Ort heißt, begegnet bist«, erbarmte sich der Mönch, der zuvor nicht genau hingehört hatte und sich über diese unverhoffte Gelegenheit freute, selbst noch einen Humpen bestellen zu können, obwohl Ulrich längst zum Aufbruch gedrängt hatte.
Auch derjenige, der gleich beim Eintreten des Mannes versucht hatte, Spott über ihn zu bringen, forderte Remig wenig höflich auf, endlich das Maul aufzumachen. Nachdem dieser einen kräftigen Schluck aus dem Literhumpen genommen hatte, wurde er – ganz im Sinne Nepomuks – weiter bedrängt: »So! Des wär des«, drängte Klaus, ein witziger Kerl, den hier alle kannten. »Deine Kehle müsste jetzt hinreichend geölt sein. Also: Erzähl schon.«
»Na gut … «, begann Remig endlich zu berichten. »Du hast recht, Klaus! Ich wollte tatsächlich nach Stiefenhofen! »Dabei sah er aber nicht Klaus, sondern Nepomuk an und betonte das erste n in dieser Ortsbezeichnung, bevor er zu erzählen begann: »Ich wollte aber nicht nach Stiefenhofen, um ein Weib zu suchen, das ein paar Kreuzer unter der Matratze versteckt hat. Reiche Weiber gibt es heutzutage doch überhaupt nicht mehr. Und wenn, dann sind sie so drall, dass sie mir nicht gefallen würden.«
»Das mag wohl stimmen«, bestätigte einer, der es wissen musste, weil er als Weiberheld bekannt war, und brachte dadurch diejenigen, die dies wussten, zum Lachen.
»Was wolltet Ihr in Stiefenhofen?«, fragte der Kastellan, den alles interessierte, was dort geschah. Immerhin lag der Ort zwar am Rande des Herrschaftsgebietes seines Grafen, gehörte aber noch dazu.
»Ich wollte nur zu meinen Verwandten, die dort einen Großbauernhof besitzen, um sie um etwas Fressbares zu bitten. Das ist doch legitim … oder?«
»Ja, ja, ist schon gut. Wir wissen, dass du ein Ehrenmann bist. Ich habe nur nicht gewusst, dass du seit Neuestem keinen Spaß mehr verträgst«, drängte Klaus, der zwar vom abgelegenen Wasenmoss stammte, aber im ganzen westlichen Allgäu als Spaßmacher bekannt war.
»Spar dir deinen Spott. Ich erzähl ja schon«, winkte Remig ab. Er begann, um sich wichtig zu machen, in beschwörendem Tonfall: »Eigentlich wollte ich den kürzeren Weg über Balzhofen nehmen, bin dort aber nicht weitergekommen, weil der Weg auf Höhe der Mühle durch Muren unpassierbar ist. Das Unwetter in der vergangenen Woche hat sich dort oben stärker ausgewirkt als hier in Simmerberg. Jedenfalls war der Weg durch schlammigen Dreck und Geröll versperrt. Aus Angst vor Strauchdieben habe ich Schiss gehabt, mich seitlich durch die Wälder zu schlagen und bin zurück zur Salzstraße, um über den Hahnschenkel nach Stiefenhofen zu gelangen. Als ich nach Burkatshofen weiter den Stich hochgelaufen bin, habe ich Lärm gehört.«
Remig trank seinen Krug aus und wischte sich mit dem Handrücken den Schaum vom Mund.
»Na und? Was war das für ein Lärm? Erzähl endlich weiter!«
Da Remig wusste, dass er wohl nie mehr so günstig an Freibier kommen würde, nutzte er die Gunst der Stunde und machte eine künstlerische Pause.
»Trockene Luft hier!«
»Du … du … Ach, scheiß drauf. Wirt! Bring dem Mann noch ein Bier, auf dass sein Mundwerk weiterhin geölt wird und er fortfahren kann«, machte der ansonsten eher geizige Klaus ein Friedensangebot für seine vorangegangene Lästerei.
Remig wartete noch, bis das Bier kam, und nahm einen kräftigen Schluck, bevor er weiterberichtete: »Da ich allein und ohne Gepäck war, konnte ich mich ungesehen so nahe anschleichen, bis ich deutlich Schreie und Waffengeklirre gehört habe. Als ich dann in der Nähe des Geschehens war, habe ich mich gut versteckt und gesehen, wie mehrere übel aussehende Gestalten ein Fuhrwerk überfallen und die beiden Fuhrwerker massakriert haben. Die zwei Soldaten, die das Gefährt begleitet haben, sind ebenfalls abgemurkst worden.«
»Was waren das für Soldaten?«, fragte der Kastellan besorgt.
»An deren rotgelben Uniformen habe ich erkannt, dass es sich wohl um Immenstädter gehandelt haben muss.«
»Dann waren es Königsegger Kürassiere«, präzisierte der Kastellan das Gehörte.
»Ja! Außerdem habe ich auf dem Wagen keine stehenden, sondern liegende Fässer gesehen, die … «
»Dann war es meine nächste Salzfuhre aus Hall in Tirol«, unterbrach ihn der Salzfaktor, der Remig ebenso aufmerksam zugehört hatte wie alle anderen am Tisch.
»Warum wisst Ihr aufgrund der
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