Der Peststurm
merkwürdigen Fremden. So eine Paarung hatten sie weiß Gott noch nie gesehen: einen Riesen mit ungewöhnlich wallender Haarpracht in Mönchskutte, unter der er etwas zu verstecken schien. Dazu einen Edelmann in feinstem Kürass, unter dem ein gelber Samtwams hervorlugte, was ihn als gut betucht auswies.
Bis auf zwei Fuhrwerker und den hier stationierten Salzfaktor waren die Gäste allesamt Einheimische, die schon ewig nicht mehr aus Simmerberg, Buch, Hasenried, Nagelshub, Unterberg oder einem der anderen umliegenden Einöddörfer herausgekommen waren. Dementsprechend neugierig waren sie auch und wollten von den beiden Reisenden wissen, woher sie kamen und wohin ihr Weg sie führte. Da der Wirt den Schankraum verlassen und Nepomuk einen höllischen Durst hatte, kam ihm das Warten wie die Ewigkeit vor. Er begann schnell, ungeduldig zu werden, und schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. Wäre dieselbe Hand zur Faust geballt gewesen, würden sich diejenigen, die bereits das begehrte Nass vor sich stehen hatten, keine Gedanken mehr darüber machen müssen, ob der Inhalt ihrer Becher am morgigen Tag Kopfschmerzen verursachen könnte.
»Ich habe Staub in der Kehle und werde eure Fragen erst beantworten, wenn ich flüssiges Manna bekommen habe!«
Obwohl sie durch den Schlag auf den Tisch erschrocken waren, mussten die Männer jetzt doch lachen. Als der Wirt endlich die zwei von Nepomuk bestellten Humpen Bier brachte, nahmen die beiden Reisenden ein paar kräftige Züge, bevor der Mönch damit begann, den Zechern derart haarsträubende Geschichten zu erzählen, dass sich sein Freund Ulrich zu schämen begann.
»… und stellt euch vor«, wollte der Mönch dem zuvor Gesagten noch eins draufsetzen, »als wir damals – von Salzburg kommend – durch München geritten sind, hat uns ein gewaltiger … «
»Lass es gut sein, Nepomuk, … auch wenn du stolz darauf bist, eine zeitlang in Baiern gewesen zu sein. Die Allgäuer sind nicht so dumm, wie sie vielleicht aussehen. Sie glauben dir deine Schauergeschichten nicht, auch wenn du dich noch so anstrengst. Denk lieber daran, dass wir uns langsam auf den Weg machen müssen, wenn wir noch vor Einbruch der Dunkelheit den Hahnschenkel überqueren möchten«, unterbrach ihn Ulrich, der jetzt mahnend zum Aufbruch drängte.
»Na gut! … Aber ein Bier geht noch.«
Nepomuk bog den gedachten Verlauf seiner Erzählung noch schnell so hin, dass er das Gesicht wahrte, und bestellte sich gerade den letzten Humpen, als jemand die Tür so fest aufstieß, dass sie fast aus ihren Angeln gehoben wurde.
»Remig! Was machst du denn hier? Ich dachte, du kannst dir den Tavernenbesuch nicht mehr leisten und wolltest heute nach Stiefenhofen, um dich dort nach einem reichen Weib umzusehen?«, spöttelte einer der Stammgäste, als er den mittelgroßen, etwas rundlichen Mann sah, dessen Gesichtszüge nichts Gutes vermuten ließen.
Da bis auf die beiden Salzfuhrwerker nur die einheimischen Gäste lauthals zu lachen begannen, schlossen Nepomuk und der Kastellan daraus, dass es sich bei diesem Mann ebenfalls um einen Einheimischen handeln musste.
Erst als Remig mit schleppendem Schritt näher trat und sich erschöpft mit beiden Händen auf der Tischplatte abstützte, während er schnaufend etwas zu sagen versuchte, erkannten die anderen, dass mit ihm tatsächlich etwas nicht stimmte.
»Setz dich erst einmal und beruhige dich«, empfahl ihm der Salzfaktor, während es ein anderer Gast kaum erwarten konnte zu erfahren, was geschehen war. »Dann erzähl uns, warum du so außer Atem bist.«
Obwohl sie Remig nicht kannten, waren auch Nepomuk und der Kastellan neugierig geworden. »Herr Wirt! Bringt dem Mann einen Becher Bier auf meine Rechnung«, rief der Mönch quer durch den Schankraum.
»Gott sei’s gedankt«, nahm Remig das großzügige Angebot des Mönchs an, bekam aber von Bruder Nepomuk nur zur Antwort, dass Gott damit nichts zu tun habe und er das Bier aus eigenem Beutel bezahlen müsse, weswegen ihm und nicht Gott eine Antwort zustünde. »Also?«
Als Remig einigermaßen verschnauft und den Becher in einem Zug geleert hatte, wies er, anstatt zu erzählen, auf seine immer noch trockene Kehle hin. Dabei schielte er auf den wesentlich größeren Humpen des Mönchs, in den die vierfache Menge dieses außerordentlich süffigen Bieres passte.
»Du alter Beutelschneider! Na gut: In Gottes Namen sollst du noch ein Bier …«, Nepomuk knurrte: »von mir aus sogar in Münchener Größe, haben.
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