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Der Peststurm

Der Peststurm

Titel: Der Peststurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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herunterziehen?«, fragte Nepomuk in betont unterwürfigem Ton.
    »Du darfst mitsamt deinem Wagen verschwinden – das ist aber auch schon alles, was du darfst. Nun hau schon ab, bevor ich es mir anders überlege«, kam es ihm entgegen. Damit wollte der Räuberhauptmann verhindern, die Pesttoten vergraben zu müssen und sich dabei zu infizieren. Wäre dies nicht gewesen, hätte er sich wenigstens den Ladewagen gekrallt, um die Beute der vergangenen Tage verstauen und transportieren zu können. Da laut Aussage des hünenhaften Mönchs nicht einmal die Pferde zu gebrauchen waren, wollte er das merkwürdige Gefährt mitsamt seinem Kutscher und seiner Ladung möglichst schnell loswerden.
    Nepomuk musste in sich hineingrinsen, während er nach hinten ging, um die Gliedmaßen seiner Gefährten unter die Decke zu schieben. Dabei konnte er es nicht lassen, Remig an den Fußsohlen zu kitzeln. Dadurch riskierte er, dass der vermeintlich Tote zu zucken beginnen und dies von einem der Männer gesehen würde. Da die Wegelagerer sich als unberechenbar gezeigt hatten, war die Gefahr noch nicht gebannt.

Kapitel 37
     
    Auch wenn fast das ganze Dorf auf den Beinen gewesen war, um sich an der sinnlosen Brandlegung zu ergötzen oder sich sogar aktiv daran zu beteiligen, hatten einige davon zunächst nichts mitbekommen. Inzwischen aber wussten es alle. Selbst die Pestkranken, die notgedrungen in ihren Behausungen bleiben mussten, hatten mittlerweile erfahren, was vorgefallen war. Viele Hinterbliebene hatten jetzt keine Zeit, sich weitere Gedanken über das Schicksal der jüdischen Familie zu machen. Denn diejenigen, die ein Huhn gefangen und nicht einmal Skrupel davor gehabt hatten, mehr oder weniger angekokeltes Holz vom Bomberg’schen Anwesen mitzunehmen, schürten nun das Feuer in ihrer eigenen Behausung. Andere waren schon wieder damit beschäftigt, ihre Erkrankten und Sterbenden zu versorgen. Innerhalb kürzester Zeit nach dem Brand lehnten bereits erneut etliche tote Menschen mit weißen Gesichtern und schwarzen Beulen am Hals an den Hauswänden. Wenn sie von ihren Verwandten nicht bald wieder hereingeholt und unter dem Stubenboden verscharrt wurden, müssten sie dort wohl noch lange verbleiben. Denn Fabio fühlte sich zwar zwischenzeitlich endlich etwas besser, war aber noch nicht einsatzfähig. Und der Totengräber hatte ebenfalls keine Zeit, da er seinen Helfer schleunigst vollständig auf die Beine bringen musste, während sich Propst Glatt im selben Haus immer noch in seine Bücher vergrub und wie besessen an seinem Repertorium schrieb.
     
    Da Ruland Berging wusste, dass die gewinnbringende Pest auch noch für ihn arbeitete, während er sich um Fabio kümmerte, stank es ihm, dass er vorläufig nicht zu den Hinterbliebenen konnte, um das Totengeld in Empfang zu nehmen. Er wusste, dass er nur abkassieren konnte, wenn er eine Gegenleistung erbracht hatte. Und da er sich selbst zu fein war, die Drecksarbeit zu verrichten, brauchte er Fabio. Noch mehr Gedanken machte er sich aber über Lodewig, der immer noch lebte und das Geheimnis, das ihn und den Medicus bis zu dessen Tod verbunden hatte, ausplaudern konnte.
    Solange auch dieser Sohn des Kastellans nicht tot ist, bin ich immer noch in Gefahr, spukte es im Hinblick auf das elendige Ende seines damaligen Komplizen unaufhörlich in seinem Kopf herum.
     
    *
     
    Auch im abseits gelegenen Spital hatte man kaum etwas von dem Unglück gehört. Einzelne Neuzugänge versuchten zwar, dem Kanoniker oder Lisbeth davon zu erzählen, brachten es aber aufgrund ihrer schlechten Konstitution nicht fertig.
     
    Während sich Bonifatias treue Helfer der ständig neu hinzukommenden Infizierten kaum noch erwehren und ihren Dienst an den Pestkranken allenfalls notdürftig verrichten konnten, war die Schwester immer noch außerhalb des Dorfes unterwegs, um Lebensmittel zu erbetteln. Da ihr der Staufenberg die Sicht zum Dorf verdeckt hatte, war ihr der Rauch nicht aufgefallen. Sie war guter Dinge und freute sich über die vielen Spenden, die sie von den Königsegger Soldaten erhalten hatte.
    Nun war sie auf dem Weg nach Staufen zurück. Dort wollte sie schleunigst ins Spital, um den Leiterwagen zu leeren und Lisbeth Anweisungen zu geben, wie sie die Nahrungsmittel verteilen und den Rest diebstahlsicher lagern sollte. Während Lisbeth dies tun und sich zusammen mit dem Kanoniker um die Kranken kümmern würde, gedachte Schwester Bonifatia, den Leiterwagen ein zweites Mal füllen zu lassen, weswegen

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