Der Peststurm
Antwort, er rang um Worte.
»Nun sagt schon«, drängte die unruhig gewordene Frau, während ihr Blick hastiger als zuvor wieder über den Schlosshof glitt.
Judith Bomberg schob Siegbert auf die Seite und rief laut nach Sarah.
Als sie die Treppe hinunterlaufen wollte, hielt Siegbert sie fest. »Mit Sarah ist alles in Ordnung!«
»Aber wo ist sie?«
»Sie ist mit Lodewig zu Eurem Haus gelaufen.«
»Wieso das denn? Was ist mit unserem Haus?«
Siegbert musste tief durchschnaufen, bevor er stockend die Antwort herausbrachte: »Es … « Er schluckte und senkte seinen Blick. »Es hat gebrannt.« Er war froh, dass Frau Bomberg nicht weiterfragte, sondern ihn nur knapp bat, zu seiner Herrin zu gehen, ihr aber nichts zu sagen, während sie schon zum geöffneten Schlosstortürchen eilte, wo Rudolph mit gesenktem Haupt stand.
Kapitel 38
»Bei Gott, das war auf des Messers Schneide! Gut, dass ich dem mehr als dummen Straßenräuber, der auf Eure Zuckungen aufmerksam geworden ist, glaubhaft machen konnte, dass er sich getäuscht hat«, stellte Nepomuk laut lachend fest, während er die Decke vom Fuhrwerk streifte.
»Wurdet Ihr vom Teufel geritten, als Ihr mich an den Fußsohlen gekitzelt habt? Dass ich deswegen gezuckt habe, war nicht zu vermeiden. Dadurch hätten diese Mordbuben auf dem Hahnschenkel fast gemerkt, dass wir keine Leichen sind und sie erst noch welche aus uns machen müssen«, zischte Remig, dem der makabre Scherz des Mönchs immer noch in den Gliedern steckte.
»Ja! Das war ein Heidenspaß«, freute sich Nepomuk immer noch über den aus seiner Sicht gelungenen Schabernack.
»Du hast gut lachen! Wir mussten unter der Decke schwitzen wie die Ochsen und haben Angst gehabt, dass die ›Pestmale‹, die Til und seine Mutter in unseren Gesichtern und auf unseren Gliedmaßen angebracht haben, durch den Schweiß abbröckeln«, schimpfte der Kastellan, als ihm Nepomuk hochhalf.
»Aber der Kräutermann hat ganze Arbeit geleistet und dich immerhin so glaubwürdig geschminkt, dass du wie eine Pestleiche ausgesehen hast und deswegen noch am Leben bist. Somit hat sich der kleine Umweg nach Hopfen doch gelohnt. Also hör auf zu maulen und sei stattdessen dankbar!«
»Ich habe die ganze Zeit Angst gehabt, kotzen zu müssen, als sich die Maskerade aus Mist, Dreck, Ruß und Hühnerblut aufzulösen und noch furchtbarer zu stinken begann, als dies sowieso schon der Fall war«, schloss sich Remig der Verärgerung des Kastellans an, bevor er begann, ihm die Maden vom Rücken zu streifen.
»So etwas habe ich noch nie mitgemacht«, beschwerte sich Ulrich Dreyling von Wagrain, der mit seinem Rücken auf dem toten Dachs gelegen hatte. Nepomuk hatte das stinkende Tier, das er in den Stallungen der Simmerberger Taverne entdeckt hatte, für die Umsetzung seines Planes gut gebrauchen können. Deswegen war jetzt der Rücken des Kastellans bis auf die Haut durchnässt und mit wimmelnden Maden, die sich über dessen ganzen Körper auszubreiten begonnen hatten, überzogen.
»Aber der Gestank des Tieres hat unser Schauspiel doch erst so richtig glaubhaft gemacht und unsere Leben geschützt, … oder etwa nicht?«, rechtfertigte Nepomuk die von ihm initiierte und erfolgreiche Rettungsaktion.
Während Remig immer noch damit beschäftigt war, mit einem Büschel Stroh den Rücken des Kastellans abzureiben, packte dieser den plattgelegenen Dachs und warf ihn in hohem Bogen über die Wiese.
Als die beiden neben dem Mönch standen und sich gegenseitig betrachteten, mussten sie allesamt lauthals lachen.
»Dort ist Wasser«, deutete der Kastellan.
Nachdem sie sich an der Pferdetränke nahe der Genhofener Kapelle ihrer Maskerade entledigt, sich selbst und ihre Bruchen gründlich gewaschen und getrocknet hatten, packten sie ihre in ölgetränktes Leinen eingewickelten Obergewandungen aus und zogen sie an. Nachdem der Kastellan auch noch seinen gut verpackten Reiterharnisch ausgewickelt und angelegt hatte, gingen sie in das kleine Kirchlein, um dem Herrn dafür zu danken, dass sie den Hahnschenkel unbeschadet und mit allem, was sie bei sich führten, hinter sich gebracht hatten. Sie wollten Remig noch bis zur Abzweigung nach Stiefenhofen mitnehmen, bevor sich ihre Wege trennten. Der aber hatte offensichtlich genug von den beiden und winkte ab. »Ich glaube, dass es besser ist, wenn ich zu Fuß gehe.«
»Wartet«, rief ihm Nepomuk nach. »Nehmt dies als Dank für Eure theaterreife Mitarbeit. Ihr wisst ja: Mit Speck fängt man
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