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Der Peststurm

Der Peststurm

Titel: Der Peststurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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Übermut.
    »Das geht nur den Dreyling etwas an«, zischte sie abfällig. »Ich habe ihm etwas Wichtiges mitzuteilen!«
    »Mäßige dich, Weib! Mein Herr ist nicht da. … Und jetzt verschwinde!«
    Erst nachdem sie mehrmals erfolglos versucht hatte, Einlass zu bekommen, und das Gespräch eine ganze Zeit lang hin- und hergegangen war, gab die lästige Alte auf. Da sie auf die erhoffte Schadenfreude verzichten musste, schoss ihr die Zornesröte ins Gesicht und sie schwang drohend ihren krummen Gehstock. »Eines kannst du dem feinen Herrn aber sagen: Ich glaube, die ganze Judensippe ist verbrannt«, schrie sie mit geballter Faust, bevor sie hohnlachend abzog.
    »Halt! Was sagst du da, Leni?«, rief ihr Siegbert in aufgesetzt freundlichem Ton nach und versuchte, sie zum Zurückkommen zu bewegen. Aber er hörte nur noch das hämische Gelächter der Alten, die wenigstens diesen kleinen Triumph auskosten mochte.
    Das war es also: Der Rauch kam vom Haus der Bombergs. Dorthin sind Lodewig und Sarah gerannt, sinnierte Siegbert und zeichnete sich ganz langsam ein Kreuz auf Stirn, Mund und Brust, bevor er die Hände zum stillen Gebet faltete und überlegte, was zu tun sei.
    Da der Kastellan nicht da war und seine Herrin das Krankenlager hütete, wusste er jetzt nicht, wie er sich verhalten sollte.
    »Um Gottes willen! … Frau Bomberg«, schoss es ihm durch den Kopf.
    »Was soll ich ihr nur sagen?«
    Siegbert verließ seinen Wachposten und eilte zu Rudolph, der seine Freizeit genoss, indem er sich wieder einmal besoff. »Rudolph«, rief er aufgeregt. Als der Wachhabende in dessen Kammer trat, sah er, wie sein Kamerad gerade die Schnapskanne unter seinem Lager verschwinden lassen wollte. Mit einer fahrigen Handbewegung bedeutete Siegbert, dass er auch einen Schluck haben wollte.
    »Spinnst du? Du trinkst doch sonst nicht! Außerdem hast du doch Wache! Was machst du überhaupt hier?«, fragte Rudolph, während er Siegbert gleichsam widerwillig und erstaunt das Gefäß mit dem kostbaren Inhalt reichte.
    Siegbert nahm einen kräftigen Schluck und musste erst noch husten, bevor er Rudolph die schreckliche Neuigkeit erzählen konnte.
    Nachdem sein Kamerad alles gehört hatte, machte er einen Vorschlag: »Weißt du was? Ich übernehme vorübergehend deinen Posten, damit du Frau Bomberg die traurige Nachricht überbringen kannst.«
    »Das ist kein guter Gedanke. Ich bin heute zum Wachdienst eingeteilt und darf meinen Posten nicht verlassen. Könntest nicht du … «
    »Kommt nicht in Frage«, winkte Rudolph entschieden ab.
    »Sei kein Feigling. Außerdem bist du doch sonst nicht um Worte verlegen. Du bist der Richtige, um es der bedauernswerten Frau mitzuteilen, … und du hast das nötige Einfühlungsvermögen«, versuchte es Siegbert nochmals, indem er seinem Kameraden schmeichelte.
    »Nein! Ich übernehme vorübergehend deinen Wachdienst, damit du es Frau Bomberg und der Herrin in aller Ruhe und ohne Zeitdruck sagen kannst. Das ist aber auch schon alles«, beendete Rudolph die Unterhaltung. Während er sich die Wachuniform überstreifte, setzte er nochmals die Kanne an und ging dann mit Siegbert nach draußen. Bevor er auf die Brüstung stieg, klopfte er seinem Kameraden ermutigend auf die Schulter. »Du packst das schon«, sagte er, trotz der traurigen Situation grinsend.
     
    Die wenigen Schritte vom Schlosshof zum Vogteigebäude kamen Siegbert vor, als wenn er König Heinrich IV. bei seinem Gang nach Canossa wäre. Er stand lange im offenen Zugang, der zu den Wohn- und Arbeitsräumen des Verwalters führte, bevor er den Mut aufbrachte, bis zur mit Eisenblech beschlagenen Eingangstür vorzutreten. Als wenn es in dieser Situation von Bedeutung wäre, strich er sich noch schnell die Haare glatt und zupfte die Gewandung zurecht. Kritisch überprüfte er den Glanz seiner Stiefel und rieb sie in den Kniekehlen ab, bevor er Sekret hochzog und sich räusperte, um seine Stimme zu festigen.
    »Nun mach schon«, ermutigte ihn Rudolph vom Wachposten herunter.
    Endlich klopfte Siegbert an, zunächst ganz zaghaft, dann fester.
    Judith Bomberg öffnete die Tür und lächelte ihn freundlich an, während sie den Kopf herausstreckte, um nebenbei ihren Blick über den Schlosshof schweifen zu lassen. Sie suchte Sarah.
    »Siegbert! Was kann ich für Euch tun?«
    Der Wachhabende blickte Frau Bomberg so lange schweigend in die Augen, bis sie merkte, dass etwas nicht stimmte.
    »Was ist los?«
    Der ansonsten disziplinierte Wachmann wand sich um eine

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