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Der Peststurm

Der Peststurm

Titel: Der Peststurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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eifriger Balken um Balken, Brett um Brett und Stein um Stein auf die Seite. Jedoch den verkohlten Körper des kleinen Mädchens fanden sie nicht.
    »Das gibt’s doch nicht. Ich weiß von Sarah, dass Lea zu Hause gewesen sein muss, als das Unglück geschehen ist. Ihre Leiche muss hier irgendwo sein«, bemerkte Lodewig, während er sich immer weiter durch den Holzhaufen wühlte.
    »Vielleicht war sie beim Spielen draußen, als der Brand begonnen hat, und versteckt sich jetzt irgendwo«, mutmaßte der Kastellan mit einem Hoffnungsschimmer auf seinem Gesicht, während er zufällig in diesem Moment das Holz entfernte, das kreuz und quer über der Bodenluke lag. »Was ist das?«, fragte er, als er den Eisenring sah.
    »Ich Simpel«, schrie Lodewig. »Zieh ihn hoch, Vater! … Schnell! … Beeil dich! … Nun mach schon: Zieh ihn hoch!«
    Obwohl der Kastellan nicht wusste, warum Lodewig plötzlich so aufgeregt war, wollte er tun, wie ihm geheißen. Aber er hatte Mühe, mit seinen großen Fingern den Ring zu greifen. Erst als ihm Lodewig mit seinen etwas zarteren Händen zu Hilfe kam, gelang es ihnen, das Eisen zu packen und die Luke hochzuziehen.
    »Mein Gott! Ein Wunder«, rief der Kastellan, als sie darunter die kleine Lea erblickten.
    Die beiden konnten es nicht fassen, das Mädchen augenscheinlich weitestgehend unversehrt zu finden. Sie hatte zwar am ganzen Körper und im Gesicht blutverkrustete Wunden, aber offensichtlich keine größeren Verbrennungen. Das ließ hoffen.
    »Vielleicht lebt sie noch«, murmelte Lodewig, der sich aus Angst, etwas falsch zu machen, nicht traute, die Kleine zu berühren. Er streichelte ihr nur zart übers Gesicht.
    »Das werden wir schnell feststellen, wenn wir sie herausgeholt haben«, antwortete sein Vater besonnen. »Schnell! Hilf mir, Lodewig.«
    Ganz vorsichtig nahmen sie das zerbrechlich wirkende Geschöpf und zogen es aus dem immer noch kühlen Loch. So vorsichtig, dass sie nicht einmal das in Stoff gewickelte Ei beschädigten, das Lea mit beiden Händen umklammerte. Als sie das Mädchen endlich herausgezogen und ins Gras gelegt hatten, prüften sie, ob es noch lebte, indem der Kastellan sein Ohr ganz nah an dessen Mund und Nase hielt.
    »Ich … ich weiß nicht, ob sie atmet. Kann jemand Wasser aus dem Seelesgraben holen?«, rief er laut und ungeduldig. »Schnell!«
    »Und?«, wollte Lodewig wissen. »Atmet sie?«
    Sein Vater schüttelte fast unmerklich den Kopf. »Nein, mein Sohn! Ich glaube nicht!«
    Judith Bomberg hatte irgendetwas gehört und blickte jetzt in Richtung Kastellan und Lodewig. »Lea?«, fragte sie ungläubig, bevor sie hoffnungsvoll nach ihrer jüngsten Tochter rief. Als Judith aufstand und noch nicht wusste, ob sie sich zum Ort des Geschehens trauen sollte, lief Sarah geradewegs auf die Männer zu.
    Um ihre Tochter davor zu bewahren, den Vater zu sehen, packte Judith sie am Arm und zog sie mit sich. Während die beiden ihre Schritte beschleunigten, hastete die Sarah mittlerweile vertraute Frau an ihnen vorbei in Richtung Seelesgraben, um dort ihre Schürze mit Wasser zu tränken.
    Judith und Sarah konnten nicht glauben, dass Lea noch lebte. Bei ihr angekommen, wollten sich beide auf das Mädchen stürzen, aber der Kastellan hielt sie mit sanfter Gewalt davon ab. Er wusste nicht, wie er ihnen sagen sollte, dass Lea nicht mehr atmete.
    »Langsam, ihr beiden! Ihr müsst vorsichtig sein«, sagte er aus Verlegenheit heraus.
    Während Judith die Händchen ihrer Tochter zart zu streicheln begann, sah sie die vielen Wunden und wollte sogleich helfen. Als die nette Frau mit ihrer wassergetränkten Schürze zurückkam, riss ihr Judith den Stoff hastig aus der Hand und begann sanft, das schmutzige Gesicht ihrer geliebten Tochter abzutupfen.
    Sie zerriss die Schürze und legte ein Stückchen auf Leas Stirn. Mit dem Rest tupfte sie behutsam die geschundenen Ärmchen und Beinchen ab.
    »Mein Kind, was ist nur mit dir geschehen?«, schluchzte sie, während Lodewig mit dem Tuch kam, das ursprünglich dafür gedacht gewesen war, Leas Leiche zu bedecken. Er breitete das dünne Leinen direkt neben dem Kind aus und bettete sie mit Hilfe seines Vaters vorsichtig darauf.
    Die bangen Momente des Wartens wurden zur Ewigkeit.
    »Jetzt müsste Eginhard hier sein«, äußerte Lodewig seinen derzeit innigsten Wunsch. »Warum hast du ihn nicht mitgebracht?«, fragte er seinen Vater vorwurfsvoll.
    »Dein Bruder ist nicht hier, aber Bruder Nepomuk«, antwortete der Kastellan, der Lodewigs

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