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Der Peststurm

Der Peststurm

Titel: Der Peststurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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Vorwurf nicht ernst nahm, erleichtert, nachdem er das vertraute Geklapper des Fuhrwerks gehört hatte und aufgestanden war, um danach zu sehen. Er winkte seinem Freund, der, anstatt zum Schloss zu kutschieren, direkt hierhergekommen war, hektisch zu. »Gott sei gepriesen«, murmelte er, bevor er dem Medicus zurief: »Nepomuk! Schnell! Komm her!«
    »Wer ist Nepomuk?«, fragte Lodewig irritiert, bekam aber keine Antwort.
     
    Als der Hüne vom Kutschbock stieg, erschraken alle. Die freundliche Frau und etliche der neugierig Herumstehenden bekreuzigten sich sogar. Während der Benediktinermönch sich wortlos niederkniete und sich über das Kind beugte, stellte ihn der Kastellan als seinen heilkundigen Freund, einen Medicus aus Österreich, vor, den man nicht zu fürchten bräuchte und dem man vertrauen könne.
    Der erfahrene Arzt erkannte sofort, dass Lea beatmet werden und dass das kleine Herz wieder in Bewegung kommen musste. Da er diese ungewöhnliche Art der Wiederbelebung einst von einem orientalischen Medicus gelernt und im Krieg mehrmals erfolgreich erprobt hatte, fackelte er nicht lange und presste seine Lippen auf die ihren. Da dies im Okzident noch nicht hinlänglich bekannt war, wurde es durch diejenigen Ärzte, die davon gehört hatten, meist sogar als sittenlos und somit auch als unchristlich hingestellt. Dennoch war er im Moment froh, die Mund-zu-Mund-Beatmung von einem weltweit berühmten Berufskollegen, mit dem er sich religionsübergreifend über die neuesten Möglichkeiten der Chirurgie und diverser Heilmethoden ausgetauscht hatte, als bisher einziger österreichischer Medicus übernommen zu haben.
    »Um Jahwes Not! Was tut Ihr da?«, fragte Judith entsetzt und wollte ihn hysterisch schreiend von ihrem Kind wegziehen, wurde aber vom Kastellan daran gehindert.
    »Du kannst ihm vertrauen. Der Mönch versteht sein Handwerk«, beruhigte er sie, obwohl auch er sich über das merkwürdig anmutende Tun seines Freundes wunderte.
    Als der in Österreich zu Berühmtheit gelangte Arzt auch noch damit begann, das Kleidchen oder das, was davon übrig geblieben war, aufzureißen, um mit seinem Handballen die Brust des Mädchens zu massieren, drohte Judith durchzudrehen. Sie schrie wieder hysterisch und schlug dem Mönch wie wild mit beiden Fäusten auf den Rücken.
    Nepomuk ließ sich aber nicht ablenken, er beatmete Lea im Wechsel mit der Herzmassage und erreichte damit tatsächlich, dass sich der kleine Brustkorb wieder rhythmisch hob und senkte. Diese merkwürdige Technik zur Erhaltung eines Lebens hatte hier weiß Gott noch nie jemand gesehen und sie wäre von den Umherstehenden als Teufelswerk deklariert worden, … wenn es nicht um das Leben eines Kindes gegangen wäre. In der Wahrnehmung aller dauerte es eine Ewigkeit, bis sich Leas Brustkorb selbstständig zu heben und zu senken begann und sie kurz darauf die Augen aufschlug. Verwundert blickte sie sich um. »Wo ist mein Ei?«, fragte sie mit dünnem Stimmchen.
    Während Judith und Sarah nicht wussten, ob sie Lea jetzt berühren durften, reagierte Lodewig sofort und holte das inzwischen zwar leicht beschädigte, aber wie durch ein Wunder nicht ganz kaputtgegangene Ei, das er zum Glück nur gedankenlos beiseitegelegt und nicht achtlos weggeworfen hatte.
    »Jetzt braucht sie euch«, sagte Nepomuk in sonorem, aber sanftem Ton. Aufgrund dessen, was er von Ulrich während seiner Reise von Bregenz bis Simmerberg alles gehört hatte, war ihm schnell klar geworden, dass Judith die Mutter und Sarah die Schwester der Kleinen sein mussten.
    So giftig Judiths Blicke den Mönch zuvor getroffen hatten, so dankbar waren sie jetzt.
    »Und nun zeigt ihr eure Liebe«, ermunterte Nepomuk die beiden Frauen, sich um das Kind zu kümmern.
    Nachdem Lea etwas getrunken hatte, umklammerte sie das Symbol des Lebens und gab es auch nicht aus der Hand, als sie von ihrer Mutter und ihrer Schwester immer und immer wieder vorsichtig umarmt und zart auf Wangen und Stirn geküsst wurde.
    Niemand konnte auch nur annähernd erahnen, was das Mädchen alles hatte durchmachen müssen und dass es sein Leben letztendlich Lodewig und einem Zufall zu verdanken hatte. Lodewig war es, der damals Jakob Bomberg den Vorschlag mit dem Vorratsloch gemacht hatte. Und der Zufall hatte es gewollt, dass gerade in dem Augenblick, als Lea in das Vorratsloch gekrochen war und die Luke hatte schließen wollen, ein Balken heruntergekracht war und ihr die Luke gerade so fest auf den Kopf geschlagen hatte, dass sie

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