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Der Peststurm

Der Peststurm

Titel: Der Peststurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Wucherer
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gestern gewesen wären.
    Es kam ihr so vor, als wenn ihr das Verschwinden ihres mittleren Sohnes mit der gleichen Schonungslosigkeit mitgeteilt würde, wie sie vom Tod ihres Jüngsten erfahren hatte. Dennoch blieb sie – zumindest nach außen hin – bemerkenswert ruhig. Zu ruhig! Konstanze wirkte abwesend, fast apathisch. Ulrich erkannte, dass es keinen Sinn hatte, jetzt noch weiter mit ihr zu sprechen. Obwohl sie sich dagegen wehrte, brachte er sie in die Schlafkammer.
    »Weiß es Sarah schon?«, wollte die Mutter wissen.
    »Nein … Das würde heute auch nichts mehr ändern und mehr schaden als nützen«, begründete der Kastellan das ›Nein‹. Liebevoll beruhigte er seine leidende Frau: »Aber ich verspreche dir, dass wir morgen bei Tagesanbruch mit Sarah und Judith darüber reden und gleich danach weitersuchen werden. Und jetzt versuch zu schlafen.« Aber es nützte nichts; der noch so zarteste Kuss vermochte es nicht, Konstanze in den Schlaf gleiten zu lassen.
    Während sich die Männer in der Küche weiter unterhielten, stand sie heimlich auf und öffnete die Kammertür einen Schlitz weit. So konnte sie von ihrem Lager aus mithören, worüber in der Vogteiküche gesprochen wurde.
     
    *
     
    »Also: Lass uns rekapitulieren«, eröffnete Nepomuk das Gespräch.
    »Ja, aber leise, damit Konstanze nichts mitbekommt und schlafen kann.«
    Die beiden schenkten sich noch einen Becher Kräutersud ein und legten etwas Feuerholz nach, bevor der Benediktinermönch seinen Freund bat, ihm alles, auch jedes noch so kleine Detail der vorhergegangenen Ereignisse zu erzählen.
    Der Kastellan legte seine Pfeife beiseite und berichtete chronologisch über die Vorfälle, die sich im vergangenen Herbst in Staufen zugetragen hatten, aber auch von Konstanzes Vermutung in Bezug auf den Totengräber. Hierfür benötigte er fast eine ganze Stunde. Dass seine Frau dabei in der Kammer nebenan ständig in Weinkrämpfe ausbrach und dabei ihren Kopf verzweifelt ins immer nasser werdende Kissen grub, konnte er nicht ahnen.
    »Wenn ich alles recht verstanden habe, hat das ganze Übel mit den 96 ›Pesttoten‹, die der damalige Dorfarzt zu verantworten hatte, begonnen«, stellte Nepomuk am Ende der Ausführungen mehr fest, als dass er fragte, und bekam ein zögerliches »Na ja« zur Antwort. »Eigentlich schon vorher, als meine Söhne den damaligen Totengräber und einen Unbekannten auf dem Kirchhof belauscht hatten.«
    Der Benediktiner überlegte ein Weilchen, bevor er Ulrich weitere Fragen stellte: »Wie alt sind deine Söhne?«
    »Eginhard ist … «
    »Das weiß ich, tut aber sowieso nichts zur Sache. Ich meine die beiden Jüngeren«, winkte Nepomuk, dessen Spürsinn sich jetzt nach und nach zu entfalten schien, ab.
    Der Kastellan verstand zwar nicht, weshalb Nepomuk das Alter seiner Söhne wissen wollte und warum ihn dabei Eginhards Alter nicht interessierte, beantwortete aber dessen Frage. »Lodewig ist 18 und Diederich ist … «, der Kastellan schluckte, »wäre bald zehn Jahre alt geworden.«
    Nepomuk klopfte seinem Freund beruhigend auf den Oberschenkel: »Entschuldige, mein Freund. Ich möchte dich nicht piesacken, muss aber alles genau wissen, bevor ich dir meine Theorie erläutern kann. Wie alt waren die Blaufärbersöhne?«
    Der Kastellan war verwirrt und überlegte kurz: »Ich glaube, dass Otward ungefähr 16 Jahre alt war und Didrik … vielleicht elf, zwölf.«
    »Da haben wir es«, entwischte es Nepomuk fast ein bisschen zu laut, während er mit einem Handrücken in das Innere der anderen Hand klatschte.
    »Könntest du bitte etwas leiser sein?«, zischte ihn Ulrich an.
    »Entschuldige. Aber ich denke, dass ich den Schlüssel zur Lösung habe.«
    Der Kastellan verstand jetzt überhaupt nichts mehr. »Was haben denn meine Buben deiner Ansicht nach mit den Söhnen des Blaufärbers zu tun?«
    »Ganz einfach: Das ähnliche Alter der beiden Großen und der beiden Jüngeren! Dazu kommt noch der verwechselbare Name eures jüngsten Sohnes.«
    »Na und?«
    »Ulrich, überleg doch mal«, beschwor Nepomuk seinen immer neugieriger werdenden Freund. »Hast du mir nicht soeben erzählt, dass deine Söhne ein offensichtlich geheimes Gespräch zwischen dem Totengräber und einem Unbekannten auf dem Kirchhof belauscht haben und daraufhin vom Totengräber über den Gottesacker gejagt worden sind?«
    »Ja, ja, das stimmt schon, aber … «
    »Kein ›Aber‹! Lodewig hat dir damals erzählt, dass der Totengräber dem anderen Geld für

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